texte
|
Alles
schon verjährt....
So um 1976 herum beschloß ich Freizeitmaler zu werden. Begonnen hat das mit zwei Schwarzwälder Uhrwerken, welche meine Freund Werner irgendwo im Zusammenhang mit unseren Antiquitätengeschäften aufgetan hatte. Den Uhrwerken fehlte das Ziffernblatt. Also habe ich mich hin gesetzt und habe das Ziffernblatt gezeichnet und schön kitschige Motive, glaube eine Dorfszene und eine Prozession in naiver Biedermeiermanier gemalt. Einfach mit Aquarellfarben und Eiweiß als zusätzliches Bindemittel. Werner hatte noch ein Fläschchen Schellack für die Abschlußlasur dieser "Werke". Das hatte ich in irgend einem Buch über Malerei gelesen. Der Maluntergrund waren alte runde Holzscheiben von irgend welchen alten Möbeln. Werner kam dann auf die Idee die bemalten Holzscheiben in der Bratröhre nachzutrocknen. Das Ergebnis war verblüffend, da sich Krakelüren bildeten und das Ziffernblatt dadurch ur-uralt aussah. Eine unleserliche Signatur mit einer unleserlichen Jahreszahl vollendete die kleine nette Fälschung. In Eisenach hatte die Frau eines Druckereibesitzers eine kleine Antiquitätengalerie eröffnet und der haben wir die Uhren in Kommission gegeben. Nach einer Woche waren die Uhren verkauft. Werner meinte, ich hätte Talent und sollte das so weiter betreiben. Also trieb ich das dann auch. Das nächste "Kunstwerk" war ein Bild über eine Explosion, eine Schwarzpulverexplosion. Bekanntlich hat ja ein Mönch Schwarz das Schwarzpulver erfunden und Legenden sagen, die erste Explosion wäre Nachts gewesen. So stand es in einem Jugendbuch der Jahrhundertwende mit einer Zeichnung. Ähnlich dieser Zeichnung habe ich das Bild konzipiert. Ich habe eine alte röhrender Hirsch-Leinwand mit Ruß und Leinöl kohlrabenschwarz geschmiert. In die linke obere Ecke kam ein erschrockenes Gesicht mit einer schemenhaften Mönchskapuze und in die rechte untere Ecke ein Deckweißklecks mit ein wenig verschmierten Ocker. Fertig. Die Signatur lautete
"sic. R.Hebsitius, 1_78". Das wurde wieder in die Backröhre gestopft
und auf die Krakelüren gewartet. Nach zehn Minuten waren die Krakelüren
da.
Werner meinte dann, den Bildern
fehlt noch ein wenig Perfektion und ich müßte richtig malen
lernen. Nur wo, war dann die Frage. Meinen ersten Malkurs belegte ich in
Merkers. Im damaligen Kaliwerk gab es im Klubhaus einen Malzirkel, der
von einem Maler geleitet wurde, dem ein Bein fehlte. Das Bein hatte er
wenige Kilometer westlich an der Grenze verloren, als er zehn Jahre zuvor
auf eine Mine getreten war. Ich bin da so fünf mal zum Kurs gegangen
und habe Vasen und Stillleben gemalt bis zum Abwinken. Als ich dann ein
Bild von einer Explosion malte, wurde ich aus dem Zirkel raus geworfen.
Franz war akademischer Maler und hatte ständig Probleme mit den Bildern, die er auftragsmäßig malen sollte. LPG-Bäuerinnen, Produktionsarbeiter und Produktionsarbeiterinnen, Grenzsoldaten mit geschulterten Kalaschnikows und Kindergartenkinder mit DDR-Fähnchen. Er hatte diese Bilder grundsätzlich nur mit Rosenthaler Kadarka, einem süßen Rotwein gemalt. Wenn er nüchtern war, malte er nackige Frauen mit gespreizten Beinen. Bei ihm beim Aktzeichnen kann ich mich noch an die Stellungen der Modelle erinnern. Da musste eine auf einen Tisch hocken und ich und der Meister haben dahinter gesessen und den Hintern aus der Froschperspektive gezeichnet. Schade, dass ich diese Zeichnungen heute nicht mehr habe. Franz stellte fest, dass ich wenig Ausdauer für die Natur in der Malerei hätte und ließ mich Äste und Bäume zeichnen. Meine Bäume hatten immer andere Äste als das Original. Entweder mehr oder weniger. Das wäre disziplinlos. Die Kritiken besserten sich, als ich ihm die Leinwände grundieren musste. Es wurde immer einen Klecks Pariser Blau mit in die Grundierkreide gerührt. Mit der Anatomie haperte
es aber ganz schön bei mir und neidisch sah ich, dass Franz das meisterhaft
beherrschte. So richtig lernte ich das Malen nie, aber für mich hat
es gereicht und ich war mit meinen Ergebnissen so halbwegs zufrieden. Um
1983 herum habe ich mit dem Malen aufgehört. Ich brauchte diese zeichnerischen
Reflexionen meiner Gedanken nicht mehr.
Die
Bilder, als ich dann los legte habe ich zu allererst für mich
gemalt und waren für mich kleine Gedankenspiegel. ZB. das Bild "Gelbe
Platte". Ich hatte mal ein paar Jahre in Halle Neustadt gewohnt. Wenn ich
müde aus der Nachtschicht kam, stand die Sonne im Osten und knallte
auf die Stirnseiten der fünf- und zehnetagigen Plattenbauten. Oft
war es im Frühjahr um diese Zeit noch ein wenig diesig, so daß
ich diese Kästen eben so wargenommen hatte. Hinter dem Block im Hintergrund
war mein Ziel und ich mußte nur noch 300 Meter überwinden, um
dann in mein Bett zu fallen. Für viele begann ein schöner Sonnentag
- für mich nicht. Ich musste diesen Tag verschlafen. Malerei war für
mich pure Medidation. Ich malte die Bilder nur für mich und hing meine
Werke rund herum in der Wohnung auf. Nach einigen Jahren hatte ich alle
Wände mit den zumeißt kleinen Formaten voll gepflastert. Freunde
und Bekannte entdeckten immer wieder was neues und ich erzählte kleine
Geschichten zu diesen Bildern. Ab und zu verschenkte ich auch mal ein Bild
zum Geburtstag. Wenn ich später meine Bilder beim Beschenkten in seiner
Wohnung entdeckte, bekam er Nachschlag. Entdeckte ich nichts, gab es zum
Geburtstag nur Blumen und den üblichen Schnaps oder Pralinen.
"Die
Abdeckerei" heißt dieses Bild. Es ist eine Fabrik, die über
den Wolken schwebt und mit den roten Dächern und dem blauen Fabrikhof
bedohlich wirkt. Diese Bedrohung war einmal Realität, als mein Sohn
als Baby Pseudokrupp hatte und die Ärzte den dringenden Rat gaben,
aus dieser Gegend, wo ich damals mit meiner Familie lebte, weg zu ziehen.
Wenige Kilometer westlich stand eine Abdeckerei, die ich nie gesehen, aber
oft gerochen hatte. So entstand wenige Jahre nach diesem Erlebnis dieses
wenig fröhliche Bild.
Psychopharmaka
kann Sinne ausschalten die stören, aber dabei wird auch anderes Empfinden
weg geknipst. Als Student war Faustan ein bewährtes Mittel Prüfungsangst
zu minimieren. Dabei wurde aber auch nicht unbedeutent das Leistungsvermögen
ausgebremst. In Erinnerung an diese wilden Prüfungstage malte ich
"Faustan" und brauche seitdem sowas kaum noch.
In
einer Operette heißt es: "Onkel und Tante, das sind Verwandte, die
man am liebsten nur von hinten sieht." Als mein Vater starb, war der erste
Satz einer Tante, als sie zur Türe hereinkam, um meiner Mutter ihr
Beileid auszusprechen "In eurer Bahnhofstoilette gab es kein Toilettenpapier
- das ist unerhört!" Der Onkel bemängelte den schlechten
Straßenzustand vor unserem Haus. Danach wurde kondoliert. Mag sein,
daß sie das aus Verlegenheit gesagt haben und mit Trauer komisch
umgegangen sind. Fakt war, meiner Mutter gegenüber war dieses Verhalten
massiv ignorant und beide waren von diesem Moment an für mich gestorben.
Ich
bin eigentlich ein Bauhausfan und bin oft um die Bauhausgebäude
in Weimar und Dessau herum geschlichen. Irgendwo in einer Zeitschrift entdeckte
ich eine Fotografie aus den zwanziger Jahren aus einem der Meisterhäuser
des Weimarer Bauhauses. Für mich gab es in dieser Interieurdarstellung
einen Widerspruch. Mann konnte, wenn man an diesem wuchtigem Tisch saß,
nicht normal zum Fenster hinaus sehen. Es war nur der Himmel zu sehen.
Mit diesem Bild, welches ich nach dem Foto malte, verlor ich zum ersten
mal eine wenig den Respekt. Nur wenn man stand, war durch diese "Oberlicht"
die Natur zu sehen. Und so sehe ich heute das Bauhaus. Ich bin immer noch
von den Leistungen begeistert, sehe aber auch den Blödsinn, den die
Achitekten und Künstler des Bauhauses in ihrer Zeit verzapft hatten.
Auch symbolisiert dieser Tisch mit den drei Stühlen Prüfungskommissionen,
vor denen ich mal stand. Die Leute, mit denen das zu tun hatte, sind vergessen,
die Situation nicht.
Irgendwo
ergatterte ich mal vier Freischwinger Stühle von Mart Stam komplett
mit einem Bauhaus Stahlrohrtisch. Darauf war ich mächtig stolz und
wollte gerne mit meiner Bauhaussammlung angeben. Nur in meinem Umfeld interessierte
sich damals Mitte der siebziger Jahre in der Kleinstadt Bad Salzungen kein
Mensch für das Bauhaus. Viele hatten in ihren Wohnungen repräsentative
Möbel mit Schnickschnack und Schnörkel. Ich habe dann die Stühle
an das Bauhaus verkauft und entdecke zehn Jahre später im Bauhaus
Dessau in einer Ausstellung meine ehemaligen Stühle. Ratlos standen
Ausstellungsbesucher vor den Stühlen, von denen ich ein schnelles
Foto schoß. In der DDR gab es damals keine Freischwinger und Bauhausrepliken
wurden nur in Westdeutschland nach gebaut.
"Tanztee"
entstand in dem Zusammenhang, dass manche Tanzpartner eben mal nicht zusammen
passen. Kein Problem ist es, wenn man sich für die nächste Runde
einen anderen Partner aussuchen kann. Kann man sich nichts mehr aussuchen
und man passt nicht zusammen stimmt nichts mehr. Die Proportionen, die
Farben, die leiseste Musik donnert zum zerbersten des Trommelfells. Manchmal
ist der Tanzpartner Gevatter Tod, der einfach den Arm unter seine Achsel
klemmt und nicht mehr los lassen will.
In
Bad Salzungen gibt es zwei große Kirchen. Die Andreaskirche, die
katholische Kirche und die Stadtkirche, der Tempel der Protestanten.Beide
Kirchen haben mir nicht gefallen. Die Stadtkirche ist ein simpler Spätbarockbau,
der nach einem Stadtbrand gebaut wurde und die Bürger damals wenig
Geld für was Repräsentatives hatten. Die
katholische Kirche ist aus anderen Gründen unbedeutend. In beiden
Kirchen ist es immer kalt, da konnte man heizen, wie man nur wollte. Dagegen
faszinierte mich die kleine Dorfkirche in Wildprechtroda, zwei Kilometer
vor Bad Salzungen. An dem kleinen gedrungenem Bau konnte ich mich nicht
satt sehen.Gemütlichkeit, Schuckligkeit und Wärme strahlt diese
Kirche aus.
Ich
war mal einige Tage in einem Priesterseminar in Szombathely in Ungarn.
Meine Mutter lieferte mich dort ab, um mich, als ich 16 Jahre alt war von
Liebeskummer kurieren zu lassen. Auf meinen Liebeskummer ging man dort
aber nicht sehr ein, weil ich meinen Glauben verloren hatte. Ein älterer
Prieser nutzte dieses Vakuum zu Missionierungsversuchen. Er wollte mich
sozusagen wieder für den Lieben Gott revitalisieren. Es war verlorene
Lebesmüh. Aber interessant war es trotzdem. Der Priester meinte, dass
die Kommunisten eines Tages in Ungarn total die Oberhand gewinnen werden
und jeglicher Glauben untergehen wird. Ich war anderer Meinung und malte
in Erinnerung dieser Gespräche dieses Bild, welches eine Nonne zeigt,
die traurig in eine rote Zukunft blickt. Ihre Kopfbedeckung hat auch schon
einen rölichen Rand.
Einen
Rückfall in das Zeichnen und Malen gab es auch um 1994. Diesmal
ohne Ölfarben, Tempera und Acrylfarbe. Mein Malwerkzeug wurde CorelDraw
und ein PC. Der Rückfall hatte pekuniäre Gründe. Eine Galerie
in Frankfurt am Main suchte Computergrafiken für ihre Exposition.
So 50 Grafiken sind damals entstanden und die Hälfte davon wurde auch
für 300 Mark das Blatt verkauft. Der Galerist gab mir 30 Mark pro
Blatt und ich habe diese Versuche schnell eingestellt. Meine Grafiken haben
nichts getaugt und der Galerist und das Preisverhältnis auch nicht.
©
R.Hebstreit 2002
|
. | richard
hebstreit
tunnelstraße 31 D-10245 Berlin e-mail:rhebs@rhebs.de http://www.rhebs.de tel: 030 39 879 431 fax: 030 39 879 432 portable: 0172 60 49 617 |