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Äxte

Ich bin wieder mal los gefahren. Nachmittags um 14 Uhr. Qietschend pfeift der Zug durch die Werrakurve nach Unterrohn. Ich sitze in Fahrtrichtung auf der linken Seite. Der Waggon ist fast leer. Dann kommen die weißen Büsche von Unterrohn. Das Kalkwerk macht die Büsche und Bäume weiß. Ich denke, die waren auch schon mal weisser, als der Zug hält. Es hat geregnet und die weissen Büsche sind hellgrau. 

Ein älterer kleiner Mann im Schlosseranzug und einer dicken braunen Hornbrille setzt sich mir gegenüber. In einer Hand hält er eine ziemlich große Axt. Zwei Kilometer weiter in Oberrohn sind die Bäume wieder grün. Der Mann mit der Axt steigt aus. 

"Ob der jetzt seine Frau erschlagen geht," denke ich. Das denke ich neben anderem die 19 Minuten bis Eisenach und wechsel dort den Bahnsteig. Auf dem Bahnsteig stehen zwei Züge. Meiner, ein saudreckiger Zug nach Halle und auf der anderen Seite des Bahnsteiges der blitzblanke D-Zug in entgegengesetzter Richtung nach Frankfurt am Main mit Weiterfahrt nach Ostende. 
 

Wo, zum Teufel im Westen ist Ostende? Alle zirka 10 Meter neben dem Zug nach Frankfurt stehen Bahnpolizisten in blauen Uniformen. Einige haben Hunde dabei. Es sieht aus wie in einem Film über die vierziger Jahre, als die SS vor Zügen in Deutschland steht, aus denen keiner heraus soll. 

Es ist der 10.Oktober 1989 und in den Zug soll keiner hinein. Es ist der Interzonenzug aus Berlin Zoologischer Garten. 4 Wochen später zu gleicher Zeit sind die Männer in der blauen Uniform weg. 
 

Die Hunde bellen eingesperrt in einem Zwinger neben dem Bahnhof. Neben dem Zwinger sitzen 20 Bahnpolizisten vor einem Fernsehapparat in einem kleinen engen kahlen Raum. 

"Eine Axt müsste man jetzt haben für die Schweine" sagt einer.
"Alle an die Wand stellen" sagt ein anderer. 

Die Hunde, große stattliche wolfsgraue Schäferhunde bellen ungeduldig. Ihr Auslauf ist gestrichen worden, weil Leute fahren und laufen können, wohin sie nur wollen. Am 10. November 1999. Wahrscheinlich auch nach Ostende, wo das auch immer sein mag.
 

© Richard Hebstreit 2002 

 

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