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Guenter 

1995 lerne ich per e-mail im Internet Guenter Taubert (74) aus CliffsidePark, NY/USA kennen. 

"Hallo Richard, ich bin der  Guenter Taubert aus CliffsideParkNY/USA und habe Deine Homepage im Internet, welches Du für das Hotel xy in xy gemacht hast gesehen und habe ein kleines Problem. Ich bin Deutschamerikaner, seit 1947 in den USA, habe eine kleine Pension meine Frau ist gestorben und ich möchte gerne Deutsche Gäste bei mir haben. Mache mir mal eine einseitig deutschsprachige Homepage (mein Deutsch ist seit den vielen Jahren in den USA ein bissel seltsam) und plaziere diese in old Germany....am liebsten in Meiningen, in meiner ehemaligen Vaterstadt. Wenns klappt , schicke ich Dir per Scheck 100 Dollar"

So begann der e-Mail Schriftverkehr mit Guenter. Zwei Wochen später waren die Fotos von seiner Pension bei mir und weitere 3 Wochen später hatte ich einen 100 Dollar-Scheck in der Hand. Guenter hatte seine Homepage und nach 2-3 Monaten war Guenter ausgebucht. Da war er ganz happy und ab und zu kamen weitere Schecks als Provision. Meine Bank, mein Steuerberater und mein Finanzamt wunderten sich damals ungemein für was ich aus den USA  Schecks erhalte. Das Internet war 1995 in Deutschland noch kein Thema und das man mit einer Homepage Geld verdienen konnte absolut ein Unding zu dieser Zeit. In meiner Heimatstadt Bad Salzungen hielten mich viele wegen meiner Internetambitionen für einen Spinner. 

Aus dieser Anfangs rein geschäftlichen Beziehung entwickelte sich ein reger e-Mail Briefverkehr und als ich per Call Back mit Guenter auch telefonisch billig plaudern konnte eine Freundschaft. Guenter wurde mein Marketing-Seniorberater und hatte für alle Fälle die seltsamsten Tips und Tricks parat.

Als ich eines Tages erzählte, dass einer meiner Freunde seinen Job verloren hat und er über diesen Zustand total unglücklich war, erzählte mir Guenter, mit welcher Methode er  vor ca. 20 Jahren sich einen neuen Job besorgt hatte.

Er wurde von seinem Chef, welcher Pleite gegangen war gefeuert und löste kurzfristig sein Einkommensproblem indem er sein Haus zum Teil als Pension einrichtete und an Gäste vermietete. Der Job als Hotelier machte ihm aber kein Spaß - er war Stahlhändler und wollte wieder als Stahlhändler arbeiten. Stahlhändlerjobs waren aber damals nicht  in seiner näheren Umgebung New York und Cliffsidepark vakant bzw. war ihm unbekannt wo was für ihn frei war. Ein Gast, ein Beerdigungsunternehmer aus Phoenix/Arizona brachte ihn dann auf die Idee, bei den Beerdigungsunternehmern New Yorks nachzugrasen, wo in den letzten Tagen ein Stahlhändler verstorben war. Er fasste Mut, holte sich einen Beratungstermin bei einem der grössten Beerdigungsunternehmen New Yorks und unter dem Vorwand, seinen verstorbenen Vater aus Californien in New York zu bestatten, liess er sich einen Vorkostenanschlag für ein Begräbnis erstellen. So nebenbei im Beratungsgespräch brachte er den Berater dazu mal in seiner Kartei nachzusehen, ob in den letzten Tagen ein Stahlhändler verstorben war. Der Berater ging zu einer Kerblochkartensortiermaschine, welche an einem IBM-Großrechner angeschlossen war, ließ ein paar Hundert Kerblochkarten durchlaufen und hatte nach wenigen Minuten zwei Karten in der Hand.

Ein Kollege war vor 3 Tagen bei einem Verkehrsunfall gestorben, die Beerdigung ist übermorgen und ein Kollege war vor 10 Tagen verstorben, die Beerdigung fand schon da und da statt. Nachdem er auch noch die Adresse dem Berater aus der Tasche gezogen hatte, verabschiedete er sich und hatte danach fix per Telefonbuch bei den Witwen der Verstorbenen die Arbeitsstellen recherchiert. Ein paar Anrufe bei der Gewerkschaft und bei den jeweiligen Unternehmen brachte ihm die Information über spezielle Arbeitsaufgaben, Arbeitsumfang, Salär usw. Am Tag darauf stand Guenter bei diesen Unternehmen auf der Matte und hatte sich zum jeweiligem Chef des verstorbenen Mitarbeiters unter einem Vorwand vorgearbeitet und brauchte nur noch das Thema auf die Tatsache zu lenken, dass er ein ausgebuffter Stahlhändler wäre. Bei beiden Unternehmen bekam er sofort die Zusage in der nächsten Woche Montag um 9.Uhr in seinen neuen Job zu starten. Guenter suchte sich den Job mit den besten Konditionen aus und beendete seine Hotelierstätigkeit. An und für sich wäre jetzt die Geschichte zu Ende. Guenter hatte wieder seinen geliebten Stahlhändlerjob und war glücklich und zufrieden. Aber das war er nur fast. Die Möglichkeit gleich zwischen zwei Jobs zu wählen, brachte ihn weiter auf die Idee, sein Einkommen weiter mit dieser Methode  nach oben zu optimieren. 

Und so ging Guenter in den darauf folgenden Wochen und Monaten weiter auf die Pirsch. In der Millionenstadt New York starben damals die Stahlhändler statistisch gesehen wie die Fliegen. Guenter sauste mit Blumensträussen auf Beerdigungszeremonien herum, besuchte Gedenkgottesdienste in allen möglichen Kirchengemeinden, besuchte Witwen und besuchte potentielle Chefs. Innerhalb eines Jahres wechselte Guenter 3 mal seinen Arbeitgeber und als er im mittlerem Management eines Rüstungsbetriebes angelangt war, war diese Hatz zu Ende und Guenter hatte seinen Traumjob Jahre bis zu seiner Pensionierung. Die Pension machte er erst einmal dicht und machte sie erst aus lauter Langeweile nach seiner Pensionierung wieder auf. So, jetzt wäre an für sich die Guenter Taubert Gedächtnismethode erklärt. Aber die Geschichte in diesem Zusammenhang ist noch nicht ganz zu Ende. Ein wenig hat das alles noch mit der Geschichte der EDV zu tun. Zum einen mit den Kerblochkarten, welche schon damals in den USA mit EDV-Strukturen verbunden waren. Die Kerblochkartenmethoden - an und für sich ein alter Hut - denn die gab es schon in den USA seit einer Volkszählung 1890. Guenter führte  in all seinen späteren Jobs jede nur damals mögliche EDV gestützte Bürokommunikation ein wo sie noch nicht war und Guenter wurde besonders auch durch berufliche Kontakte in der Rüstungsindustrie zu einem Network-Worker. E-Mail  und Dateitransfer wurde für Guenter zum alltäglichem Kommunikationswerkzeug. Schon damals verkaufte man Stahl - besonders in Form von Rüstungsgütern an die Regierung per Datennetz. Als Guenter zu Hause in seiner Pension Ende der 80er Jahre saß, hatte er auch einen PC mitgenommen und war per Modem im Internet und dem Fido-Netz online. Hatte er mal einen User am Draht, der seinen Job verloren hatte, bzw. mit seinem gegenwärtigen Job nicht zufrieden war, der bekam weltweit detailliert Guenters  Jobbesorgungsmethode offeriert. Mancher traute sich nicht, aber mancher legte auch in Australien los mit Gunters Methode und fast jeder, der diese Mehtode anwandte, hatte Erfolg. Guenter sammelte die Ergebnisse und wenn der jeweilige "Erfolgreiche" die Erlaubnis gab, kamen weitere Erfahrungen der Nutzer dieser Methode per Attatchement/Anlage hinzu. Nach Guenters Erzählen landeten diese Tips auch in Peking bei einer Studentin, welche die "Guenter Taubert Gedächtnismethode" in ihrer Familie Abends beim Reis erzählte. Tags darauf kam die Antwort, dass wäre in Peking ein alter Hut, das gibts dort professionell schon seit 1000 Jahren. Die Informationen über vakante Jobs und besonders gute Positionen in der Verwaltung würden dort regelrecht von Beerdgungsunternehmern entsprechend behandelt....das gehört dort zum Beruf. 

Das bischen schlechte Gewissen, welches Guenter wegen seiner Art der Leichenfledderei hatte, war damit total weggefegt und Guenter mailte mir begeisternd diese Nachricht. Jetzt wäre die Geschichte aber zu Ende. Ist sie aber noch nicht. Guenter plante im Frühjahr 1998 zu einem Konfirmationstreffen in seine deutsche Heimat zu fahren. Aus gesundheitlichen Gründen sagte er ab und ich wurde von Guenter gebeten, seinen ehemaligen Konfirmanden einen e-Mail-Brief von Ihm zu verlesen. Er war der Auffassung, das jemand persönlich ihn wenigstens für einige Minuten vertritt. Guenter ahnte, dass er nicht mehr lange zu leben hatte und diese Ahnung bestätigte sich. 3 Tage vor dem Klassentreffen starb Guenter. Als ich dann bei diesem Klassentreffen Guenters Brief verlas, flocht ich die Job-Story  Guenters mit ein und erwähnte, das es eigentlich ganz natürlich ist, das mit dem Tode ein Mensch wieder Platz für einen anderen Menschen schafft und wenn es "nur" für einen neuen Job ist. 

Die endgültige Pointe dieser Kette von Geschehnissen ist aber nun nicht, dass mein Freund die "Guenter Taubert Gedächtnismethode" anwandte - Er traute sich nicht und verkauft als studierter Designer jetzt Kachelöfen irgendwo in Hessen. Einige Wochen nach meiner Gedächtnisrede anlässlich des Konfirmandentreffens erhalte ich einen Anruf aus Meiningen: "Sie haben doch Guenters Methode wieder Arbeit zu finden erzählt - vielen Dank von meinem Enkel, was solls, der hat jetzt einen Job mit dieser seltsamen Methode ergattert." Nun wäre die Geschichte erzählt. Tut mir leid, sie ist immer noch nicht zu Ende. Anstatt Guenters Pensionshomepage veröffentliche ich einen Nachruf im Internet und schickte damals e-Mail`s an alle seine e-Mail Brieffreunde,von denen ich die Adresse hatte. Auf der Guenter Taubert - Gedächtnishomepage legte ich einen Link auf meine Homepage, auf der ich damals jammerte, dass ich nicht genug zu tun hatte. Aus Phoenix/Arizona bekomme ich danach eine e-Mail mit einem Jobangebot als Homeworker/Telearbeiter für eine kleine Telefongesellschaft in Phoenix/Arizona. 

Jetzt, zum Schluß ganz wie es sich gehört kommt die entgültige Pointe! Ich konnte dem User antworten "Sorry - den Job habe ich schon........leider kann ich im Moment nicht näher erklären, warum und wieso ich den Job schon habe!"

. richard hebstreit 
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