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Montag, Dienstag, Mittwoch

Es ist Montag. Montag Neun Uhr, als der kleine Rudi mit seinem kleinen braunen Frühstückstäschchen behangen wie  immer zögerlich dle kleine fünfstufige Treppe nach der Haustüre  hinunter hopselt. Hopp..   Hopp..... Hopp ..........

Die rund 500 Meter bis zum Kindergarten sind für den kleinen Rudi ein sich wiederholender   täglicher Horrortrip. 

Der Horror ha zwei Namen. Udo und Detlef. Udo wartet wie immer am Zaun hinter der Konsumecke auf Rudi und heuchelt auf dem gemeinsamen Weg bis zur nächsten Ecke  Hertelstrasse/  Kalkofenstrasse Freundschaft und Zuwendung. Die Zuwendung äussert sich in dem wichtigen Erzählen von Udo über seinen neuen Tretroller, der so neu ist, das Udo den nur auf dem Weg um sein Haus benutzen darf. Das erzählt Udo und Rudi hört schweigend ängstlich zu. Rudi denkt schon an die nächste Strassenecke. Hier steht  ungeduldig Detlef und erwartet beide. Den einen als notwendigen Multiplikator für seine psychischen und physischen Atacken, den anderen als Ziel und Opfer dieser Demütigungen. 

Ab dieser Ecke ist Rudi nicht mehr Rudi. Rudi ist Esel, Dummes Schwein, Arschloch, Drecksack. Rudi werden die Frühstückstäschchen der beiden umgehangen - er ist der Esel. Dieser Esel wird mit Schlägen, Knüffen, Tritten und Worten bis zum erlebnisfrohem, 
interessantem Kindergarten ein geschlagenes Jahr traktiert. Manchmal ein bisschen, manchmal ein bisschen mehr und manchmal auch ein bisschen schlimm. 

"Wie war es heute im Kindergarten?" fragt täglich Rudis Mutti. "Fein" sagt Rudi und lügt dabei nicht einmal. Der Weg ist das Problem.Täglich.

Diesen täglichen schweren Weg verschweigt Rudi. Täglich, weil Rudis Mutti Rudi aus dem Kindergarten nehmen würde um die Mühen des Weges dem Rudi zu ersparen. Wie bei seinem Freund Eberhard um die Ecke, mit dem steifen Bein und der schweren unförmigen orthopädischen Beinschiene, der nicht mehr in den Kindergarten zu gehen braucht, weil er auf dem Weg zum Kindergarten die Demütigungen nicht mehr ertragen konnte.

Die einzige Möglichkeit der Drangsal zeitlich zu entgehen, ist schneller zu laufen, schnell diesem Horror zu entgehen. Doch die Peiniger passen sich dem Tempo an. Schneller und täglich intensiver werden ihre Schläge,Tritte, Worte. Kein Flehen hilft, kein Bitten. Nichts kann die beiden abhalten, wenige Minuten des Tages Macht auszuüben und sich dieser fiesenMacht täglich zu erfreuen und zu ergötzen. 

An einem Dienstag wird Rudi befreit. Detlef steht nicht mehr an der Ecke. Detlef steht nie mehr an der Ecke. Detlef sitzt  an einem späteren Mittwoch in seinem Garten auf einer Wiese unter einem Apfelbaum und wird mit sehr traurigen Blicken von seiner Familie betreut. Er ist nun Zeit seines Lebens halbseitig gelähmt.  Detlef hat die SK erwischt. SK ist die spinale Kinderlähmung. 

Rudi der Befreite sieht nun mit freundlichen staunenden Augen an diesem Mittwoch, wie Detlef sich mühselig aus seinem kleinen weissen Kinderkorbstuhl erhebt und mit schmerzverzerrtem Gesicht an diesem Tag zu Rudi zum Zaun auf einem Bein huepft. Hopp.. Hopp...... Hopp..........
 

© rhebs 2001
 

 

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