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Kriegsstielchen...

Die alteingesessene Thüringer Firma Krieger  aus Oberhaun macht Besenstile seit exakt 1874. Erst mit der Kraft des Wassers, wo hinter dem kleinen Sägewerk kleine selbstgebaute primitive Drechselmaschinen mittels Wassermühlrad angetrieben wurden, um aus eckigen Latten runde Besenstile zu drechseln. Das Geschäft dümpelte so hin bis in die Mitte des ersten Weltkrieges, wo plötzlich, aber,  Handgranatenstiele dringend benötigt wurden. "Die sind ein wenig kürzer als Besenstile, aber sie waren dicker" sagt wichtig mit hochgezogenen Augenbrauen der olle Krieger. Holzlattentürme türmten sich damals auf dem Betriebshof, zeigt das Kriegersche Familienfotoalbum, wo 4 schnurrbärtige Männer vor einem riesigen Holzhaufen stehen.  Zum Ende des Krieges war ein stattlicher Betrag in Goldmark in der Firmenblechkassette der Krügers und der Holzhaufen war alle. "Im Krieg ist Goldwährung wichtig" sagt  mit hochgezogenen Augenbrauen der olle Krieger stolz. Sein Vater war Hüter der Goldkassette und da er auch dem Gold nicht so sehr traute, wurde mit den Goldmark ein Wald, ein paar Wiesen und ein Baugrundstück gekauft. Auf dem Baugrundstück entstand eine kleine schnuckelige Villa, welche so doppelt so groß war wie ein Einfamilienhaus, sagt Krieger und zeigt mit dem Daumen hinter sich auf eine Wohnzimmerwand in der kleinen schnuckeligen Villa. 

Als man einige Zeit nach dem Krieg wieder fleißig Besenstile produzierte, kam die Inflation und die Besenstielproduktion mußte auf zehn Prozent des Vorkriegsvolumens zurück gefahren werden. Doch die Krügers hatten nun Wald, hatten nun Landwirtschaft und hatten auch noch einige Handvoll Goldmark, so dass sie mit einem blauen Auge aus der Inflation heraus kamen. Kurz nach 1933 ging es wieder aufwärts. In der Kriegerschen Villa gab es nämlich eine Akte, wo die schönen Adressen der Heereswaffenämter vermerkt waren. Die gab es noch nur die hießen ein wenig anders. "Kaiserlich" war gestrichen, aber Straße, Ort und Hausnummer waren gleich geblieben. Mit freundlichen Schreiben und freundlichen Besuchen wurden die alten Geschäftskontakte wieder aktiviert und kurz nach der Aktivierung raspelten wieder die alten Maschinen und nach kurzer Zeit auch neue moderne zeitgemäße Maschinchen aus eckigen Holzlatten Stiele, Handgranatenstiele. Ein kleines zierliches "K" in der Schriftart Times wurde auf die Stielchen eingebrannt und bezeugten Qualität und Seriosität dieses interessanten Produktes. "Wir haben damals schon voll ökologische Produkte gefertigt", sagt wieder mit hochgezogenen Augenbrauen der olle Krieger. "Die Stiele waren mit Bienenwachs imprägniert. Das war was solides! Die Stiele faulten nicht so schnell bei längerer Lagerung im harten Kriegseinsatz". Eine zweite Villa, diesmal noch ein wenig größer wurde in Eisenach dicht unter dem Burschenschaftsdenkmal gebaut - "dort lebt heute meine Schwester und hat mit der eingenommenen Miete ein nettes Einkommen. Sogar einer unserer Anwälte aus dem Westen ist dort eingezogen.  Ha, ha, ha, Anwälte kann man heute immer gebrauchen"

"1939 am 1. November werden vom Heereswaffenamt alle Aufträge gekündigt", meint mit sauertöpfischem Gesicht der olle Krieger.  Das wäre eine Intrige vom Gauleiter Sauckel, dem NSDAP Gauleiter Thüringens. Alles an Aufträgen hat seine buckelige Verwandtschaft in der Gegend um Saalfeld bekommen. "Ha, ha, ha, weißte wie die Thüringer den Gauleiter Sauckel genannt haben?"  "Nein" sag ich. "Sauleiter Gauckel hat er geheißen! - Ha, ha, ha." Das braune Pack, das braune! Aber nach dem Krieg ist dafür die buckelige Verwandtschaft vom Sauleiter Gauckel ab nach Sibirien. Keiner ist mehr wieder gekommen. Arme Schweine die. Das hatten die nun davon. Waren ja schließlich Rüstungsbetrieb - den haben die Russen dichtgemacht!. Aber," sagt Krieger noch " große Geschäfte haben die Saalfelder auch nicht mehr gemacht. Die Deutsche Wehrmacht hat ja nur noch mit Eierhandgranaten geschmissen und die waren komplett aus Eisen und Pulver - die brauchten kaum Stiele mehr!"

"Uns Kriegers haben die Russen nichts getan - waren ja kein Rüstungsbetrieb mehr -. Wir haben wieder Besenstile produziert und auch nach dem zweiten Weltkrieg mußte ja auch wieder jeden Tag überall in der Ostzone viel Dreck weg gekehrt werden. "Krieger zieht wieder die Augenbrauen hoch. "Dann kam die DDR und 1967 sind wir fast geschlossen worden. Na, eben fast, nicht ganz. Ich wurde im eigenen Betrieb, inzwischen eine Kommanditgesellschaft mit einem volkseigenem Forstwirtschaftsbetrieb Gottseiesgetrommeltundgepfiffen Betriebsleiter. Ab 1975 haben wir sogar unsere Super-Besenstile nach dem Westen exportiert. 8 Westpfennig gab es für einen Besenstil. Sieben, komma zwei Pfennig hat der Außenhandel der DDR eingesackt, 0,8 Pfennig hat der Betrieb von diesem Ertrag bekommen. Diese Kommunisten, Blutsauger waren das." Aber wieder mit hochgezogenen Augenbrauen: "Wir haben nur noch von den 0,8 Pfennig NSW - (Nicht sozialistisches Wirtschaftsgebiet) Maschinen gekauft -sogar aus Japan!" Die Augenbrauen ruckeln noch höher " Die Masse machts - ha, ha, ha!"

"Und, wie ging es weiter" frage ich. Krieger grinst. "Gottseidank, kam dann die Wende und wir haben wieder unsere alte Akte vor geholt." "Kaiserlich" war ja gestrichen, "Heeresamt" hatte den neuen netten Zusatz "Beschaffung"  aber Straße, Ort und Hausnummer waren erstaunlicherweise gleich geblieben. Mit freundlichen Schreiben und freundlichen Besuchen wurden die alten Geschäftskontakte wieder aktiviert und kurz nach der Aktivierung raspelten wieder die alten Maschinen und nach kurzer Zeit auch noch neuere moderne zeitgemäße Maschinchen. Dank EU - Förderung aus eckigen Holzlatten Stile, zwar diesmal keine Handgranatenstiele." Ist streng geheim!" Sagt der olle Krieger und auch sein hochgewachsener Sohn im Armani und Budapester Schuhen, der inzwischen sich dem Gespräch dazu gesellt hat, ergänzt "moderne Waffensystem dürfen nicht durch Radar erfaßt werden - und da sind manche Waffenteile heute wieder aus Holz! Das ist doch toll!"

Nett blinzelnd meint dazu der olle Krieger, "aber alles streng ökologisch mit Bienenwachs! So, jetzt müssen wir das Gespräch beenden - wir wollen morgen nach Spanien fliegen. Mutti Guste ist schon dort und kommt mit dem Fitmachen unserer Residenz für den Sommer nicht zurecht. Die vier Leute Personal, die wir inzwischen dort beschäftigt haben, sind wirklich manchmal keine Hilfe. Leute, irgendwelche Kaffer aus Marokko, denen man erst zeigen muß wie eine Rasenkehrmaschine  funktioniert. Am schlimmsten ist, die Köchin kann keine Thüringer Klöße und ich habe es ihr schon dreimal gezeigt! Es war nett mit ihnen zu plaudern und ich finde es richtig prima, daß sie sich für Thüringer Industriegeschichte interessieren!"  Beim hinausgehen ruft er mir noch lachend zu, "Wer die Geschichte nicht kennt, kann die Zukunft nicht meistern! In zwei Jahren haben wir hundertdreißigjähriges Betriebsjubiläum - der Ministerpräsident kommt da sogar, schaun sie da mal vorbei - sie sind eingeladen!
 

So, die wirkliche Pointe ist, die Story ist erstunken und erlogen. Na fast. der Name ist gesponnen, die Orte, die Produkte. Klarnamen und Klarfakten heute  zu nennen ist mir heute schlicht und einfach gesagt zu gefährlich. Auch wenn der olle Kanzler Schröder beim nächsten Krieg nicht mehr mitmischen will. Die Kriegers und wie sie alle heißen würden mich mit 2 properen Anwälten und noch einem Spezialanwalt in Reserve zum Teufel klagen wegen sonst was. Die Gespräche, die Zusammenhänge, die Leitlinien  und die Substanz der Story sind aber echt, sind wahr. Leider.
 
 

Fakten:

Die Stielhandgranate 24 hatte ein Gewicht von 0,48 kg und war 356 mm lang. Der 75 mm lange Topf enthielt 0,165 kg Sprengstoff. Gezündet wurde die Granate, in dem man die durch den Stiel laufende Schnur abriß. Nach 4,5 Sekunden erfolgte die Detonation. eine Verbesserung stellte die Handgranate 43 dar, bei der der Abreißzünder direkt auf dem Kopf befestigt war, so daß sie auch ohne Stiel geworfen werden konnte. Insgesamt wurden während des Krieges 75 Millionen Stück beider Muster gefertigt.
Um die Splitterwirkung der Handgranaten zu erhöhen, gab es für den zylindrischen Topf aufschiebbare Splitterringe aus Gußeisen. Dabei wurde  der Wirkungskreis auf etwa 35 m weit vergrößert. 
Die 0,23 kg schwere Eihandgranate 39 hatte nur noch eine 0,112 kg schwere Sprengladung. Der Topf hatte einen Durchmesser von 60 mm, er war 76 mm hoch. Die Granaten wurden ab Juni 1940 an die Truppe ausgeliefert. 
Die Volkshandgranate 45 war eine Pappdose von 50 mm Durchmesser und   70 mm Höhe, die mit Zement, Kies und Eisenschrott gefüllt wurde. Der Sprengstoffanteil betrug  36 g.  Sie verwendete den abreißzünder der Handgranate 43. Er war am Blechdeckel angebracht, mit dem die Dose verschlossen wurde.
Unter der Bezeichnung Nipolit-Hndgranate entwickelte die Firma   WASAG ab 1942 eine Eihandgranate mit 0,25  und 0,5 kg Gewicht. Nipolit war der Name des neuartigen Sprengstoffes, der für diese  Granaten verwendet  wurde. 

Handgranatenlink:
 

Untröstliche Nachworte:
So nun noch was - wissen Sie was ICD-10 ist? Ich erklär es gleich.
ICD-10 ist die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme. N00-N99 sind Krankheiten des Urogenitalsystems 
Y36.2  sind Kriegsverletzungen durch sonstige Explosionen oder Splitter (Funktioniert prima weltweit egal wo....Alle haben die feinen Codezahlen in ihren zugeordneten Computersystemen).

Also nehmen wir mal an Sie wollen Soldat werden und werden das auch und nehmen irgendwo in der Welt an Kriegshandlungen teil. Sie wachen auch irgendwo auf der Welt nach Kriegshandlungen in einem Lazarett wieder auf und haben einen Zettel um den Hals oder am Arm hängen (...heute auch schon mit Strichcode, wenn Sie Pech haben)  und darauf steht unter dem Strichcode: ICD-10/Y36.2 N00-N99/
Wenn Sie den Zettel an der rechten großen Zehe haben, wachen Sie nicht mehr auf und die Strichcodenummer ist eine ganz andere!

Das heißt im Klardeutsch: Die Eier oder Teile davon sind durch Handgranateneinwirkung beschädigt. Wenn Sie dass dann wahrnehmen, wird der Zettel nach einigen Tagen ergänzt mit "F40-F48" Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen. Am Entlassungstag nach einigen Wochen, wo sie allerdings tröstlicherweise kaum noch kriegsdienstverwendungsfähig sind, (was auch nicht mehr absolut gesichert ist heutzutage) gibt es noch einen nette Ergänzungscode für ihre inzwischen noch hoffentlich funktionierende Krankenkasse "F60-F69" Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen und "F70-F79" Intelligenzminderung, wenn Sie das alles nicht verkraftet haben. In Ergebnis allen dessen wird ihre Frau oder Freundin niemals nie verursacht durch Sie auf dem Krankenbettzettel nach dem Kreisssaal die Nummer "O80-O84" gleich Entbindung stehen haben. Die Eier sind weg - das war dann jemand anders. Ihr Stielchen funktioniert nicht mehr! Sollte ihr dann untergeschobenes Kind nach einigen Jahren nach dem Krieg im Wald eine Handgranate finden, die es inzwischen auch schon in in feinster absolut identischer Zitronenform gibt, (jaja, gelb , weich, nach Zitronen duftend) dann gilt bei Explosion und Überleben der Code: Y36.8 Verletzungen durch Kriegshandlungen, die nach Einstellung der Feindseligkeiten auftreten Möglich ist aber auch, dass Ihre Krankenkasse mit ihnen herumstreitet, weil Kriegsverletzungen, die unter Y36.0-Y36.7 oder Y36.9 klassifizierbar sind, aber erst nach Einstellung der Feindseligkeiten auftreten, nicht bearbeitet werden, aus welchen bürokratischen Gründen auch immer. 

Kann aber auch sein, die haben alle (die Krankenkassenmitarbeiter) Y36.5 Kriegsverletzungen durch Kernwaffen wegen Auswirkungen der Druckwelle, wegen Auswirkungen der Lichtstrahlung, wegen Exposition gegenüber ionisierender Strahlung von Kernwaffen, wegen Hitze, wegen sonstige unmittelbare oder sekundäre Auswirkungen von Kernwaffen. Also salopp gesagt, es gibt keine Krankenkasse mehr.

Was sagt uns das alles .......Krieg egal wo, vermeiden und....nicht hingehen......!

© rhebs 2002

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