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Rihar mach Licht aus!

Es gab mal eine Zeit, da gab es das Wort Multikulty noch nicht  - doch ich hatte da schon Multikulty komplett am Hals.

"Rihar mach Licht aus!", sagte immer meine ungarische Oma, wenn sie mal selten zu Besuch war. Oma Scheffer, Janosné konnte kein ch nach einem i sprechen. Oma war aus Szombathely  (ssombathei) in Ungarn. Ich konnte das Janosné  sprechen "Janosch-nee", sagte mehrfach Oma vor. Aber das wollte Oma dann auch nicht so hören. Oma hiess eigentlich Maria, manchmal auch Marika oder Marikam...das waren Verkleinerungsformen. 

Wieso, wollte ich von meiner Mutter wissen, heisst die Oma Maria, wenn auf ihren Briefen und Postkarten immer Scheffer, Janosné steht. " Na Scheffer, Janosné heisst eigentlich die Frau von Janos Scheffer - dem ungarischen Opa. Das sagt das é hinter dem Janos. Besser ist aber du sagst Nagymama - nagy heisst gross und mama heist Mama, also Grossmama." Klar, das verstand ich. Als die Oma wieder auftaucht, sag ich stolz "Hallo Nagymama!"  Freudig nimmt Nagymama meine neuen ungarischen Sprachkenntnisse zur Kenntnis und knutscht mich ab. "Edersch kisch Fiam" johlt die ungarische Oma dabei...das heisst süsser kleiner Junge, das konnte sie besser aussprechen. Stunden später gibt es Abendessen. Nagymama brüllt aus dem Küchenfenster  "Eeeeeedersch!"

Ich muss jetzt rein", sag ich zu meinem Freund Eberhard, mit dem ich auf dem Hof herum gammle und dem ich stolz meine neuen ungarischen Sprachkenntnisse vermeldet hatte. " Na, dannn troll dich Süsser!", sagt er höhnisch und lässt mich ziehen.

Zu Hause erzählt er, die Hebstreits sind jetzt verrückt geworden. Die ungarische Oma von Richard hat drei oder vier Namen, der Richard heisst jetzt auch anders, der heisst süsser oder sowas.

Als ich in der Küchentür stehe, sagt meine Mutter "Na fein, dich hat Anjukam gerufen und du hast fein gehört"

"Wer ist denn nu wieder Anjukam? Auch die Oma?"

"Anjukam ist mein süsses Mütterlein, deine Oma, die Nagymama." sagt meine Mutter.

"Wieso" frage ich. "Es müsste doch dann edersch Mama heissen?" 

"Um Gottes Willen", sagt da kopfschüttelnd mein deutscher Grossvater, der auch inzwischen am Küchentisch sitzt, was ist das nur für eine Sprache. Mein Vater versteht das, schliesslich hat der ja eine Ungarin geheiratet. Grossvater wirft nun ein, sein Vater hiess Richard, er heisst Richard, sein Enkel heisst Richard. Da gibt es keine Probleme. Die ungarische Grossmutter macht grosse Augen und sagt zu mir ich sei ja dann Richard III und solle später, wenn ich groß bin, meiner Frau nichts tun und macht mit den Händen an ihrem Hals das Zeichen erwürgen.

Die folgende halbe Stunde werden die Formen der Grossmutterbenennungen haarklein erläutert und die deutschen Bratkartoffeln mit viel viel Paprika werden dabei kalt.

Die ungarische Oma sagt "joi ischtenem, (Mein Gott) Ungarisch bittaschön ist doch ganz einfach kicsit" mit dem Blick auf mich.

"Wer ist kicsit?", frage ich meine Mutter. Meine Mutter sagt "kicsit" bist Du mein kleiner Junge.

Von da an habe ich es aufgegeben ungarisch zu lernen. Wenn ich heute herum frage, stelle ich fest, fast alle Ungarn können Deutsch oder wenigstens ein paar Brocken Deutsch. Deutsche, welche ungarisch können gibt es nicht und wird es auch wohl nie geben. Eine finnisch ugurische Sprache zu behalten, wo es glaube 13 Bezeichnungen für die Großmutter gibt, passt nicht in unsere deutschen Köpfe. Irgend etwas ist da bei den Ungarn anders.....ganz ganz anders.

Zwei Jahre später sitze ich in Szombathely im Schwimmbad mit meiner ungarischen Cousine Marika auf einer Decke im Gras. Aus dem Schwimmbadlautsprecher tönt aufeinmal hintereinander dreimal "Fliegeralarm, Fliegeralarm, Fliegeralarm". Erschrocken frage ich sie, was das bedeutet - "Ist jetzt Krieg?" "Nicht Krieg" sagt die "...da ruft jemand nach dem Bademeister!" 

©  rhebs/Géza 2002 

. richard hebstreit 
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