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Streiche I  "Eu Spitzbube!"

Wer hat als  Kind nicht  irgendwelchen Unsinn getrieben, um den Erwachsenen aus Grund oder auch ohne Grund ein´s auszuwischen. Zum Teil waren diese Streiche von älteren Kameraden angestiftet, oder berichtet und wurden wiederholt/nachgeahmt. Oft waren es aber auch innovative eigene Kreationen, welche aus der Situation heraus entwickelt wurden. Vieles war harmlos, manches aber auch ganz schön drastisch.

Das ging los mit harmlosen Klingeltouren. Auch Briefkästenklappen wurden mit Kittifix zu geklebt. Katzen wurden Blechbüchsen an den Schwanz gebunden. Schreckhaften Leuten erschienen dann Gespenster vor dem Fenster. Das war eine Bohnenstange mit einem Bettlaken und einer Kerze in einer Blechbüchse. Die amerikanische Variante mit dem Kürbis kannten wir damals noch nicht. Es wurden Hausschuhe und Holzbotten vor der Haustüre fest genagelt. Plumpsklos wurden verkeilt und der eingesperrte musste schon ganz schön herum brüllen, um von seiner Familie aus seinem Kurzzeit-Gefängnis wieder befreit zu werden.

Beliebt war bei uns so Mitte der Fünfziger Jahre das Geldbörsenspiel. Eine leere Geldbörse wurde mit schwarzen Sternchenzwirn gesichtert auf einem oft frequentierten Fußweg deponiert. Wir lagen gut gedeckt hinter einem Gebüsch oder in einem Keller der Druckerei Zachau und wenn ein Passant sich nach der Geldbörse bückte - schwupp ein Ruck am anderen Ende der Sternchezwirn Strippe und die Geldbörse war verschwunden.

Hier hatten wir eine sehr sichere unwahrscheinlich schnelle Variante entwickelt. Und das ging so. Die Geldbörse wurde mit dem Sternchenzwirn traditionell befestigt. Nur das sich bei unserer Variante am Ende der ca. 3 Meter langen Schnur ein gespannter Gummi-Einweckring befand, der durch 2 Stöckchen in der Erde gesichert war. Eine zweite Schnur führte in unser Versteck. Wir brauchten praktisch nur die Gummi-Maschine aus zu lösen und mit dem Effeet des gespannten Gummis war die Geldbörse blitzschnell verschwunden.

Es konnte uns dann nur noch unser spitzbübisches Gelächter aus der Deckung heraus über den Streich verraten. So war es dann auch manchmal.

Eine gemeine Sache war der Hundescheiße-Schreck. Praktisch, einfach und sehr wirksam. Ein weiches Häufchen Hundescheiße wurde in Zeitungspapier schön locker eingewickelt. Vor einer Haustüre plaziert, mit Streichhölzern angesteckt und auf die Klingel gedrückt oder kurz und bestimmt angeklopft. Trat der angebimmelte dann vor die Türe, brannte das Zeitungspapier lichterloh. Da nun jeder versucht, das Feuer aus zu treten, wenn er gerade nicht barfuß ist, gab es bei diesem Streich null komma nichts stinkende Schuhe. Toll, wenn man bei diesem Streich nicht erwischt wurde.
 

Bad Salzunger Bürger hatten grob geschätzt in unserem Einflußbereich insgesamt 10 Frühäpfelbäume. Der Standort dieser Bäume war bestens bekannt und selten kamen die Bürger in den Genuß ihrer eigenen Frühäpfel zu einer Zeit wo Vitamine nun mal in der DDR knapp waren. Wir hatten einen Heisshunger auf diese Äpfel und waren schneller. Die Methode in einem Schrebergarten in der Honigbach den Apfelbaum zu plündern war, einen Scheinangriff durch zwei schnelle Jungen am Holzzaun der Südseite des Gartens zu  starten. Der Apfelbaumbesitzer jagte den flinken Läufern chancenlos in den Feldern hinterher. Während dieser Zeit kletterte die Pflückbrigade über den Zaun an der Nordseite, wo der Frühapfelbaum stand. Ergebnis.......Baum wurde fachmännisch beerntet. Das war aber oft unnötig. Man wusste halt in einer Kleinstadt, wer wan da war und wann die Ernte am konfliktlosesten organisiert werden konnte.

Jetzt kommt mal die Pointe vorweg. 
Der, der bei diesem Streich mitwirkte, wurde später ein braver Polizist. 

Wir kokelten gerne, also spielten mit dem Streichhölzern. An allen möglichen und unmöglichen Stellen wurde Feuer gemacht. Kleine Feuerchen und auch grosse Feuerchen. Beliebt war im Frühjahr der trockene Rasen und noch beliebter Rasenhänge an den Ausfallstraßen, wo sich das Feuer blitzschnell ausbreitete. Schön gestapelte Bohnenstangen in den Schräbergärten brannten besonders gut. Nach Weihnachten explodierten die alten Weihnachtbäume förmlich auf den Salzunger Straßen und Gassen, wenn da ein Streichholz dran gehalten wurde.
Irgendwann kamen wir auf die Idee Zeitungsseiten zu Würsten zu verdrehen und daraus ein Papierseil zu knüpfen. 

Die Straße nach Kaltenborn war in den Fünfzigern nur Morgens und zum Feierabend ein wenig frequentiert. Wir haben dann gewartet, wenn ein Fahrzeug an den Drei Eichen 100 Meter vor der Kurve war. Das in einer der Eichen hängende Papierseil wurde dann am Ende angezündet und wenn nicht soviel Wind war, fraß sich die Flamme blitzschnell empor und es sah aus als stünde ein Teil der Eiche in Flammen. So wurde einmal die Salzunger Feuerwehr alarmiert, weil die Eichen brennen würden. Nur da war nix. Der Wind hatte das verräterische verkohlte Papier auf die Felder geweht. Dieser Streich wurde einmal dramatisch. Wir haben das gleiche Spiel an einer alten sehr grossen Akazie, welche am Stichweg von der Kaltenborner Straße zum Schanzbaum stand durchgezogen. Pech war, das dieser Baum zum Teil schon ein wenig ausgetrocknet war. Zum anderen wussten wir nicht, das auch feuchtes Akazienholz trotzdem fein brennt. Ergebnis der Baum brannte als die größte Fackel, welche es je in Bad Salzungen gab. Die Salzunger Feuerwehr hatte nun wirklich was zum Löschen. Das heisst auch wieder nicht. Als der Tankwagen kam, krachten die ersten brennenden Äste auf die Straße und die Feuerwehr war beschäftigt, die Schaulustigen vom Unglücksort weg zu scheuchen.

Zum Glück hat uns bei dieser verwerflichen Tat niemand gesehen und erwischt. Geprahlt mit diesem Streich haben wird diesmal auch nicht. Wir gingen damals so in die 6.Klasse und beendeten mit dieser "Großtat" unsere Feuerteufel Karriere. Was größeres harmloseres gab es auch nicht mehr abzubrennen.

Da haben wir lieber kleineren Kindern gezeigt, wo man fein Schlittschuhe laufen konnte. Die zentrale Fäkaliengrube Salzungens befand sich damals exakt zwischen dem Schanzbaum und dem Sorghof. Wir zeigten dann eine Stelle, wo die Scheiße 50 cm tief über der dünnen Eisdecke war und warteten.  Man brauchte nicht lange zu warten. Wir zogen Klaus T. gerne wider mit einem Stock aus dem Kotsumpf, und brachten ihn mitleidsvoll zu seiner Mammi zurück. Klaus kann mich heute noch nich leiden.

Eine schöne Geschichte ist auch der Zug nach Immelborn/Meiningen. Wenn uns nix mehr an Streichen einfiel, spielten wir "Eisenbahnüberfall". Auch sehr einfach und sehr wirksam und ausnahmsweise mal ungefährlich. Kurz vor der Eisenbahnbrücke Alte Molkerei droschen zwei drei Jungen im Schilf in den Werrawiesen hinter einer Weide mit einem Stück Eisenrohr auf leere Milchkannen und Zinkbadewannen vom nahen Schutthaufen und johlten herzzereissend dabei. Oben auf der Brücke stand ein Junge mit einer großen Büchse Wasser und wartete, bis jemand neugierig aus dem Zug im Sommer den Kopf steckte. Und da mancher  Reisende nach Meiningen seinen neugierigen Kopf aus dem Zugfenster steckte, bekam er ratz butz  nasse Haare als Segen von oben bei schönstem Salzunger Sonnenschein.

Sehr gemein war die messtechnische fachliche Begleitung verschiedener Baumassnahmen. Wer damals sein Einfamilienhäuschen in der Honigbach oder am Galgen baute und hat heute ein bissel schiefe Wände, so waren Salzunger Spitzbuben die Übeltäter. Die Aufmassschnur für das Kellergeschoß wurde einfach ein paar Zentimeterchen kurz vor Baubeginn verschoben. Machmal wurde es bemerkt und manchmal auch nicht.

Auch sehr hinterhältig war das "blaufärben" der Kurgäste. Da gab es zwei Varianten. Die harmlosere Variante fand im Gradierwerk statt, da wurden nur die weissen Gradierumhänge versaut. Die schlimmere Variante war die in der Ruderstation am Salzunger Burgsee. Wie? Ganz einfach, mit Kopierstiften. Präziser mit Kopierstiftminen. Diese wurden fein bröselig zerklopft und auf die Bänke im Gradierwerk gestreut. Setzte sich dann auf eine dieser Bank ein weissgewandeter Kurgast, um die feine salzige feuchte Luft im Sitzen zu geniessen, so färbte sich mancher  Kurgasthintern und der Kurgastrücken schön kräftig blau. So wie auch nur der Hauch von Feuchtigkeit an diese Kopierstiftbrösel kam, entfaltete der gemeine Farbstoff seine tiefblaue Wirkung. In der Kahnstation das war schon böser, weil hier die hellen Sommerkleider der Kurgastdamen dran glauben mussten. Jedes Reinigungsmittel war gegen dieses Zeug machtlos. Blau blieb blau und wurde durch mehr Wasser und Reinigungsmittel nur noch blauer. (Die Umhänge wurden an die Kurgäste   ausgegeben, da der Salzstaub hässliche Flecke auf der Kleidung hinterließ)

"...Nach dem 2. Weltkrieg wurden Kopierstifte mit rabiaten Anilinfarben auch in der DDR hergestellt. So brachte die Karl Knobloch KG Kopierstifte unter der Bezeichnung "Saxonia" auf den Markt und die Abteilung Bleistifte der VEB Leipziger Pianofortefabrik stellte Kopierstifte unter den Bezeichnungen "Phönix" und "Trabant" her.Der Verwendungszweck der Kopierstifte wandelte sich im Lauf der Zeit. Die Verwendung des Kopierstiftes zum Kopieren wurde seit Einführung der Schreibmaschine weitgehend eingestellt. Denn die umständliche Kopierprozedur erübrigte sich, sobald Schreibmaschinen mit Durchschlagpapier ausgerüstet werden konnten. Er konnte sich aber weiterhin als Konkurrent zur Füllfeder sozusagen als "dokumentenechter Bleistift" behaupten. So wurde er z.B. lange Zeit von der Schweizer Post zum "Abquittieren" am Schalter eingesetzt. Der Kopierstift wurde fast endgültig Anfang der 60er Jahre vom Kugelschreiber verdrängt. Dieser war einfacher zu handhaben da er nicht gespitzt werden musste, und sein Strich wasserfest und ebenso dokumentenecht war. 
Zum Kopieren des Originals wird dieses in einem Sandwich mit speziellem Kopierpapier in engen Kontakt gebracht. Ein darüber gelegtes Löschpapier oder Gewebe, das entsprechend gefeuchtet ist, gibt bei ausreichendem Druck diese Feuchtigkeit an das Kopierpapier und schliesslich an das Original ab. Damit die Feuchtigkeit nicht nach oben oder unten aus dem Sandwich penetrieren kann werden für diesen Zweck präparierte Kartons, sog. Kopierblätter als Zulage verwendet. Durch die Feuchtigkeit im Sandwich wird ein Teil des Farbstoffes des Originals gelöst und auf das Kopierpapier übertragen. Das Kopierpapier ist so beschaffen, dass der gelöste Farbstoff "durchschlägt", das heisst auf der Rückseite des Kopierpapiers lesbar wird, da nur so eine seitenrichtige Kopie produziert werden kann...." Mehr Detaills hierzu gibt es unter: http://www.hgkk.bfh.ch/kur/sd/copy/

Überhaupt die Kurgäste waren oft Ziel übler Streiche. Kurgäste waren 1955 und später volkseigene Kurgäste. Dass sie kostbare Kunden waren, welche umhätschelt und umtätschelt werden mussten, weil sie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der kleinen Stadt waren, war verloren gegangen. Deswegen schon wurden sie bevorzugte Streichopfer. 

Kurgäste waren Gäste, die oft nie wieder kamen und die Hemmschwelle, ihnen einen üblen Streich zu spielen, war einige Klafter niedriger als bei den eigenen Bürgern.

Beliebt und von älteren Kameraden schulmeisterlich angestiftet war Liebespaar beobachten und als Höhepunkt Liebespaar erschrecken. Es war halt so. Unsere Eltern klärten uns nicht darüber auf, was Männer und Frauen zusammen treiben und in der Schule war Sexualaufklärung damals ein absolutes Fremdwort. Kein Fremdwort für uns war der Rathenau Park südlich des Burgsees. Der hatte einige heimelige Ecken in denen für die Kurgäste robuste Bänke standen. Dicht um die Bänke herum war dichtes Gebüsch. In diesem Gebüsch hatten wir zwei regelrechte Unterstände gebaut. Das waren kleine Gruben, in die zwei bis drei neugierige Buben passten. Ein Versteck war oberhalb des Wucke Denkmals und eins in Mitten des Parkes hinter einem kleinen kunstvollem Eisengeländer, welches  wenn es spannend wurde manchmal die Sicht versperrte.

Aus alten Brettern, Holzlatten und heruntergefallenen Ästen war da ein Deckel drüber, welcher fachmännisch mit Erde, Moos und Laub beschichtet war. Ein kleiner Sehspalt gab den Blick auf die 2-3 Meter entfernte Parkbank. Das Spannen lief dann ab wie am Schnürchen. Die Kurgäste hatten so gegen 19.00 Uhr Abendessen. Um 22.00 Uhr mussten die Kurgäste in ihren Zimmern und Betten sein. Da es im Sommer schön lang hell war, brauchten wir uns nur diesem Timing anzupassen. Also gegen 20.00 Uhr mussten wir im Versteck sitzen, da die Pärchen gerne noch einen Verdauungsspaziergang um den Salzunger See unternahmen und es sich ja bekanntlich nicht fein im Park bei hellem Tageslicht mit vollem Magen bumsen lässt. 

Immer so gegen 21.30 ging es zur Sache und wir waren life dabei, was man mit so einer Kugastdame in wenigen Minuten alles anstellen kann, wenn sie die damals noch meisst rosaroten Schlüpfer und umständlichen Strumpfhalter gelöst bzw. ausgezogen hatte. Für uns war das alles hoch interessant, bildend und spannend. Und als wir uns aufklärungsmässig satt gesehen hatten, wie es von vorne und von hinten und umgekehrt ging, wanderten in eine alte Blechbüchse Steine und Scherben an einer Schnur auf einen Baum unweit hinter der Liebesbank.

Wenn wir dann dachten, das es nun Zeit wird die beiden heftig Liebenden in ihren rythmischen Aktivitäten zu trennen, wurde die Schnur abgeknüpft und die Büchse donnerte auf den Boden. Es war erstaunlich anzusehen, wie schnell man rosarote Schlüpfer wieder anziehen kann, oder auch manchmal ohne Schlüpfer von dieser unheimeligen Stelle weg rannte. Aber insgesamt gesehen haben wir da weit vor Oswald Kolle und Urania Aufklärungsartikeln viel wichtiges gelernt. Wir wussten wie man aufpassen muss und wussten, das man mit Parisern der Firma Froms ein Salzunger Rathenau- Baby verhindern kann. Auch der Pariserinhalt wurde dann mit Hilfe eines Stöckchens untersucht und als eklig und uninteressant befunden. Absolut höchst seltsam waren zwei ältere Herren, welche das gleiche wie die Pärchen aber mit gleicher Leidenschaft machten. Wir haben dann leicht verunsichert bei den älteren Jungs nachgefragt, die uns dann alles ganz genau erklärten....warum ....weshalb ....wieso!

Oft hockten wir abends auch auf dem mächtigem Schanzbaum in in dicken hohlen Ästen. Nur von oben gab es von der Optik nicht viel her. Auf einen wippenden nackigen Hintern von oben zu schielen brachte nicht viel. Unten zu ebener Erde versagte unsere Beobachtungsmethode, da die Kurschattenbank rund um die alte Linde ging und man vorher nicht ahnen konnte, wo die beiden Schatten ihr Schäferstündchen abhielten.

Erklärungsnotstand gab es dann schon eher mal zu Hause, woher wir so spät zu nachtschlafender Zeit außer Atem mit dreckigen Knien und blitzenden Augen wohl herkommen. "Na wir haben im Rathenau Park verstecken gespielt", was ja noch nicht einmal gelogen war.

An Schulstreiche ala Feuerzangenbowle kann ich mich weniger erinnern. Die Schule gab nicht viel her, da eh die Lehrer den längeren Arm hatten, um uns auf unsere Streiche professionell revanchemäßig zu maletrieren. Auch waren die Lehrer durch Generationen von kleinen bösen Attentätern geübt. So wurden nur ängstliche Kolleginnen des Lehrkollegiums unser Opfer, wie das Fräulein Fischer. Der armen Frau wurde ein Loch in den Regenschirm geschnitten. Das war dumm, das war harmlos, phantasielos, das war schlicht und einfach unnötig und gemein.

Kein Streich von uns, sondern ein Eigentor der Deutsch Lehrerin Frau Stieghahn war ihr Vortrag über den zweiten Weltkrieg. Frau Sieghahns Mann war im zweiten Weltkrieg Offizier und kam aus russischer Kriegsgefangenschaft, in die er noch nach Kriegsende kam nicht mehr zurück. Wie freundlich Frau Stieghahn nun der ruhmreichen Sowjetarmee gesonnen war, lässt sich denken. Und so titulierte sie in ihrem Vortrag jugoslawische Partisanen als Spitzbuben und Verbrecher, welche deutsche harmlose Soldaten in einem Café in Split in die Luft sprengten. Sie sass im Café daneben und überlebte das Unglück. Dieser Erlebnisbericht brachte Frau Stieghahn aus glücklichen Umständen nicht nach Bautzen, sondern die vorzeitige Pensionierung und den Umzug nach Westdeutschland.

Berühmt war unser Zeichenlehrer Bergfeld, den wir Pipifax nannten, weil er jedes Bild, welches nach seiner Meinung künstlerischer Humbug war, als Pipifax prädikatisiert wurde. Er war ein toller Künstler, aber ein Pädagoge, der von Pädagogik wenig Ahnung hatte. Sein Unterricht war deswegen eine mittelere Chaosveranstaltung. Jeder machte das, was er wollte, während Pipifax fast einen vorgetäuschten Nervenzusammenbruch bekam, weil ein Schüler die Flagge an der Spitze eines tollen von ihm gemalten Segelschiffes entgegen der Windrichtung malte. 

"Nach dem sozialistischem Realismus hat die Fahne gefälligst mit den Wind zu wehen anstatt entgegen. Gegen den Wind" wäre "tiefste spätbürgerliche Dekadenz und blanker Formalismus!" Bei einer Bildbetrachtung hing er ein Bild von einem röhrendem Hirsch, einen Schinken eines sowjetischen Schlachtenmalers und ein Bild von Wasilli Kandinsky auf. Pipifax fragte dann, was Kitsch und was Kunst wäre."Brav, brav, brav" wurden die erwarteten Antworten der fingerschnipsenden Schüler kommentiert. Er konnte sich einen Dummen dazu aussuchen. Dann schmiss Pipifax die beiden Schinken unverpackt in einen mitgebrachten Lehrmittelkarton. Den Kandinsky wickelte Pipifax sorgsam und bedächtig in ein Tuch und steckte ihn in seine Aktentasche. Die Pointe hierzu war jedem Schüler, der ein bissel denken konnte klar. Von Pipifax hörte ich das erste mal was vom Bauhaus Weimar und vom Bauhaus Dessau. Seine Bilder sahen aus, wie die Bilder von Kandinsky und nicht wie die Bilder der sowjetischen Schlachtenmaler und wie die röhrenden Hirsche vor Alpenglühen.

Beim teuersten Streich Salzunger Jungs war ich nicht mit dabei. Ich kam Stunden später als fix informierter Gaffer hinzu. Auf einer Kaliabraumhalde bei Leimbach standen auf einem toten Gleis mehrere alte ein bischen kaputte Güterwagen der Deutschen Reichsbahn. Die Wagen standen ein Jahr und noch ein Jahr und noch ein Jahr. Dann war der Rambock am Ende des Gleises ein wenig unterspült. Irgendjemand von den Salzunger und Leimbacher Jungs kam dann auf die Idee, die Hemmschuhe von den Rädern zu entfernen und die Güterwagen ein wenig anzustubsen. Das geht mit einer zufällig oder besorgten  herumliegenden Brechstange. So hingen sich zwei-drei Jungs an die Brechstange und spielten "Eisenbahnunglück". Erst rollte der eine Wagen an den Abgrund, dann der zweite Wagen und bei dem Druck des dritten Wagens machte es "Krach" und die Güterwagen polterten in die Tiefe an den Fuß der Halde. An folgenden Tagen wurden in der Regionalzeitung "Freies Wort" die Saboteure, welche strengste Bestrafung zu erwarten hatten gesucht.  Die Saboteure wurden nie gefunden. Einer davon hatte den bekannten Spitznamen "Sixemaxemolli". Er wurde ein stadtbekanntes Original, der gerne mit seiner Gitarre die Kurgäste unterhielt und war nach der Wende der erste stadteigene Nachkriegspenner, den schon aber lange der Alkohol  weggerafft hat.

Als die Schule beendet wurde, wurden die Streiche spärlicher. Wer arbeitet, hat weniger Zeit und Muße Blödsinn zu veranstalten und die Bürger zu ärgern.

So sah denn der Streichausklag aus:

Als Lehrling hat man auch mal in der Nachtschicht einen Kollegen, der vor seiner Maschine ein kleines Nachtschichtnickerchen hielt, recht unsanft geweckt. Unter seinem Stuhl wurde ein Stück Fahradschlauch das am Ende mit Draht zugebundenen  war, an einem Preßluftschlauch befestigt. In den Fahradschlauchzipfel wurden noch einige Gramm Talkum geschüttet. Danach wurde langsam der Presslufthahn in 3-4 Meter Entfernung geöffnet und man ging in Deckung.

Rums - ein gewaltiger Donnerschlag weckte den Kollegen. Und wie vom Blitz getroffen sprang der vom Stuhl hoch und fand sich in einer weissen Wolke wieder, wo er zum weiteren Übel sofort die Orientierung verlor und chaotisch brüllend weg rannte. Er konnte nun schlecht zum Schichtleiter gehen und uns verpetzen. Schlafen wärend der Arbeit durfte halt nicht sein - das war gefährlich so oder so.

Als krönender Abschluss des dritten Lehrjahres wurde der Lehrmeister Lieber im Pressenwerk am hellichten Tag in der Mittagspause in einem Bretter -Werkzeugverschlag eingenagelt. Das heisst eingenagelt wurde er eigentlich nicht. Die Löcher für die zwölf Zoll Nägel wurden am Vortag mit der Bohrmaschine fein säuberlich wie gelernt vorgebohrt. Als der Lehrmeister sein Mittagsnickerchen machte, wurden leise fünf fette Nägel durch die Gitter-Brettertüre gesteckt und schön lautlos mit einer Rohrzange umgebogen. Danach wurde  sein Chef  per Telefon zu Herrn Lieber beordert. Der war dann sehr ungehalten, daß der Lehrmeister so tief am Tage schläft, das er nicht mal hört, wie er in seinem Verschlag eingenagelt wird. Peinlich, peinlich! Lieber verdächtigte dann in unserem Beisein die Jungfacharbeiter - den soviel Frechheit traute er uns einfach nicht zu.
Jahre danach bei einem Glas Bier haben wir ihm dann unsere Schandtat gebeichtet. Er wollte es uns immer noch nicht glauben.

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Schornsteinfeger Abratzky klettert auf die Festung Königstein
 

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