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"Nie wieder trampen!" (Eberhard)

1962 wollte ich mit meinen Freund Eberhard an die Ostsee
trampen. Wir kamen nur bis Löwenberg, wo es tagelang wie aus
Eimern schüttete und der Trip seine Ende fand. Eines Abends
tourten wir Richtung Berlin zurück und stiegen in Oranienburg in
die letzte S-Bahn.

Wir sind bis  Ostkreuz gefahren, da wir nicht bis Schönefeld durchfahren wollten, weil wir da per Anhalter Nachts nicht weitergekommen wären. Mit der Absicht, im Wartesaal des Ostbahnhofs uns die Nacht um die Ohren zu schlagen, liefen wir vom Ostkreuz in Richtung Ostbahnhof, weil  schon die letzte S- Bahn in Richtung Friedrichstraße weg war.  Pech war nun, daß wir am Osthafen entlang mit unseren Campingbeuteln müde und schlecht gelaunt einer müden und schlechtgelaunten Grenzerstreife in die Arme liefen, welche uns sofort mit dem "dringendem Tatverdacht auf Republikflucht" im Polizeipräsidium Mitte am Alex ablieferten. 

Hier lernte ich das erste mal einige weniger nette Berliner kennen, welche uns einreden sollten, wir wollten doch nur über die frisch gemauerte Berliner Mauer unser "schönes  Vaterland DDR" verlassen. Da man unserem Beteuern, dies keinesfalls beabsichtigt zu haben, wenig Glauben schenkte, landeten wir in einem Jugendwerkhofdurchgangslager auf der Halbinsel Stralau, um uns auf eine Gerichtsverhandlung geistig gründlich vorbereiten  zu können. Die Vorbereitung auf dieses Ereignis erschöpfte sich darin, täglich eine bleistiftgeschriebene Abhandlung der Heimleitung abzuliefern, in welcher erleutert werden sollte, warum wir gerade in Berlin und am Osthafen diese schmähliche Straftat zu  begehen beabsichtigten. 

Ich schilderte damals ständig ausführlich, daß, wenn ich wirklich die Absicht hätte, die DDR zu  verlassen, dies bei Eberhards Tante in Vacha/Thüringen  tun würde, welche einen Garten direkt an der Grenze hat und da geht ein Abwasserkanal im dichten Gebüsch direkt nach Hessen. Wir kennen den Abwasserkanal, weil es da schöne fette Feuersalamander gibt und auf der hessischen Seite wären die fettesten. Die Deutsche Volkspolizei oder die Stasi benötigte 4 Wochen, um festzustellen,     daß die Feuersalamander noch da waren und entfernten selbige mit samt dem Gebüsch, Kanal und dem Garten von Eberhards Tante. Meine Mutter meldete mich als "vermißt" und machte sich schreckliche Sorgen. Die Gerichtsverhandlung wurde schließlich von einem gnädigem Staatsanwalt, welcher wahrscheinlich sein monatliches Republikflucht-Anklagspensum schon voll hatte,  ausgesetzt und ein diesmal netter Berliner  Polizist kaufte uns auf dem Ostbahnhof zwei Fahrkarten und setzte uns mit den Hinweis, daß wir nun ständiges Hauptstadtverbot hätten, in den Zug nach Thüringen. Wir sind dann in Schönefeld wieder aus dem Zug gestiegen und haben uns das schöne Geld für die Fahrkarten zurückerstatten lassen und sind nach Thüringen zurückgetrampt, wo uns unsere Eltern erschrocken aber freudig in Empfang nahmen. Nur 4 Jahre später bekam ich wieder eine Fahrkarte spendiert - diesmal nicht aus Berlin raus, sondern nach Berlin. Die Fahrkarte spendierte mir die NVA - die Nationale Volksarmee  der DDR und für mich damals total unerklärlich  war daß ich als unsicherer Kantonist mit schriftlichem Hauptstadtverbot und mit amtlich festgesteltem Republikfluchtverdacht gerade in Berlin an der Mauer meine Wehrpflicht ableisten sollte. Aber erst einmal ging es nach JWD Wilhelmshagen, wo man uns beibrachte,   mit 120  mm  Granatwerfern zu schießen. Das wäre notwendig, so sagte man uns "daß man mit den praktischen Granatwerfern fein über die Berliner Häuser von einer Straße in die andere Straße schießen könnte, ohne daß die Berliner Leute von der Straße, wo getroffen wird merken, woher die dicken Eier kommen. 

Das wäre dann der Fall, wenn wir die Westberliner aus ihrem kapitalistischem Joch befreien werden.  Nachdem ich das Granatwerfer schießen nach einem halben Jahr intensivem Training bis zur Perfektion beherrschte,  wurde  ich nach Rummelsburg in das Grenzregiment 34 versetzt. Diese seltsame Armee unterließ es aber uns Soldaten Wochenlang keinen Ausgang zu geben, damit wir nicht in die Versuchung kommen, die Wertigkeit dessen zu begreifen, was es zu verteidigen galt. Für mich wären das schon mal die Berliner Mädels gewesen, welche man oft  vom Mannschafts -LKW bei diversen militärischen Ausflügen sah. Aber dann gab es schließlichendlich Ausgang und ich mußte im Tanzlokal Saalbau Friedrichshain feststellen, daß ein NVA-Grenze-Armeeangehöriger, welcher mithilft, die Oma in Neuköln permanent nicht besuchen zu können, von den Berliner Miezen schlicht und einfach geschnitten wurde. 

Es hagelte Körbe und auch die weniger attraktiven Mädchen hatten nur Hohn und Spott auf der Zunge, wenn man sie zum Tanzen aufforderte. "Verpiß Dich!" war so das harmloseste was man zu Hören bekam.
Ich hatte keine Lust mich vor den Mädels zu verpissen und besorgte mir illegal Zivilklamotten, welche ich im Ostbahnhof in der Gepäckaufbewahrung für einige Pfennige deponierte und löste damit  ein für mich dramatisches  Problem. Nun hatte ich endlich
intensiv Gelegenheit, inkongnito in den Berliner Tanzsälen mich umzuschauen und entdeckte damals so manches, was es wert gewesen wäre, es zu verteidigen.

(An und für sich ist das fast eine Köpenickiade in umgekehrter Richtung. Der Hauptamnn von Köpenick hatte sich in Berlin auf dem Bahnhofsklo eine Uniform angezogen,  um seine Interessen durchzusetzen. Ich zog meine Uniform auf dem Bahnhofsklo aus,  um meine Interessen als Jugendlicher durchzusetzen.)

Die Verteidigungsmotivation verließ mich aber ziemlich schnell, da ich nur jede denkbare
Zeitung, welche der Wind über die Mauer wehte verschlang und heimlich Rias und SFB in meine Ohren strudeln ließ. Bei einer dieser schmählichen Straftaten wurde ich erwischt und landete für 10 Tage im strengen Arrest in Treptow. Oberverdächtig war hier, daß ich ein jugoslawisches Taschenradio "Bambino Eye" in eine aufgeschlitzte Plastefeldflasche verbarg und lieber auf den täglichen NVA-Tee großzügig verzichtete um Rias und AFN zu hören. Außerdem kam heraus, daß ich die Ehre habe, in der Einheit zu dienen, welche mich schon mal bei einem Republickfluchtversuch geschnappt hatte.

Nachdem wurde ich erst einmal für unwürdig befunden, an der Berliner Mauer mit einer Waffe in der Hand Grenzdienst zu verrichten und bekam ausführliche Gelegenheiten geboten, die Wohnungen von Offizieren in Berlin-Stralau gegenüber der Kaserne zu tapezieren. 

Irgendwann kam ich wirklich auf die  Idee nach Westberlin abzuhauen und weihte auch  2 Kameraden in diese Absicht mit ein, von denen ich den Eindruck hatte, sie hätten ebenfalls die Nase von dieser Armee und von diesem Staat voll. Wir fotografierten unsere Facharbeiterzeugnisse, Geburtsurkunden usw. und klebten uns die Negative in unsere NVA Stiefelabsätze und wollten, wenn wir mal zusammen auf einen Posten eingeteilt wären desertieren.

Der eine Kamerad schlief dann aber auf seinem Postenturm ein, als gerade jemand über die Mauer nach Westberlin floh und kam vor den Militärstaatsanwalt, weil er nachweislich danebengeschossen hatte. Der andere Kamerad, Kurt B. Harras schaffte es. Eines Nachts an der Dresdener Straße gelang ihm die Flucht. Ich hatte dann keine Gelegenheit mehr, ohne größere Konflikte zu verschwinden - ich hätte einen Kameraden erschießen oder anschießen müssen.
 

Nach dem Fall der Mauer suchte ich auch im Internet weltweit Kurt B. Harras. Ich war einfach neugierig, was aus ihm geworden ist. Ich habe ihn noch nicht gefunden. Er fand mich vor einigen Monaten im Internet.
 
 
 

 

. richard hebstreit 
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