.......................................
 
-
rhebs homepage
 
 

texte
schmuckstorys
spaziergänge
mauerstorys
 
 
 
 
 
 
 

e-mail
 

home
 
 
 
 
 

 

Werners Braut

Werners Vater Daniel war aus Rumänien. Nähe Hermannstadt. Einmal im Jahr seit Ende der Sechziger fuhr Daniel nach Rumänien. Im Koffer hatte er alles was es um Hermannstadt nicht gab und in einen Koffer passt. Daniel war spezialisiert auf Dinge, welche klein sind, unauffällig sind und im Zuge ihrer Kleinheit und Unauffälligkeit gut geschmuggelt werden konnten. Daniel war Nähnadelspezialist. Im speziellen Maschinennähnadeln. Die packte er in große grüne Nagelschachteln. 

Daniel fuhr Montag Früh in Eisenach los unrasiert, in einem alten verschlissenen Zimmermannsanzug, und hatte dazu noch schöne saudreckige Finger ungeputzte Schuhe und stank noch Meter gegen den Wind nach Knoblauch. In Erfurt klapperte er die Haushaltwarengeschäfte ab und kaufte alles, was an Nähmaschinennadeln da war, auf. Gegen Mittag war er fertig und fuhr weiter nach Leipzig. In der Innenstadt drehte Daniel seinen Nähnadel Runden. Gegen 15 Uhr saß er im Zug nach Dresen und hatte dort noch eine knappe Stunde Zeit für seine Nähnadeltour. Dann schlief er in einem Hotel in der Nähe des Bahnhofs und fuhr früh mit dem ersten Zug nach Prag. Nachdem er auch noch die Prager Geschäfte um viele viele Nähmaschinennadeln erleichtert hatte, tourte Daniel nach Bratislava und an einem weiteren Tag nach Budapest. Die ungarischen Nähnadeln wollte er auch haben. 

Alle Zöllner, die mal seinen Koffer zum Filzen in die Finger bekamen, liessen den Koffer ungefilzt. Der stank erbärmlich nach Speiseresten, Schuhcreme, ranzigem Fett und sonstwas. Die Nagelkartons enthielten rostige Nägel und Nähmaschinennadeln. Das stand auch auf seiner Zollerklärung. "Nägel und Nadeln".

Das er damit in drei Ländern in mehreren großen Städten folgedessen Nähnadelmangel verursacht hatte, störte Daniel weniger. Mit seiner Tour war für ein Jahr in halb Rumänien das Nähmaschinennadelproblem gelöst.

Nachdem Daniel mit seiner Sendung Nähnadeln in Hermannstadt eintraf,  begann er mit dem Eintüten der Nähnadeln. Inzwischen war aus Westdeutschland ein kleines Packet mit zusammengefalteten Singernähmaschinennähnadelschachteln eingetroffen. Die ostdeutschen, tschechischen und ungarischen Nähnadeln wurden nun ohne viel Wundertaten in westdeutsche Nähnadeln verwandelt. So zwei Tage brauchte Daniel zum Verpacken seiner Ware.

Nachdem rasierte er sich, zog einen bei der rumänischen Verwandschaft deponierten schwarzen Anzug mit Weste und feinen Schuhen an und besuchte seine vielzähligen Nähmaschinennadelkunden. So nach einer Woche war Daniel rum in Rumänien. Alle, die wussten und wollten, hatten Nähnadeln und Daniel hatte einen großen Koffer voll rumänisches Geld. Sehr viel rumänisches Geld.

Und nun kommt die erster Pointe. Was hat Daniel mit dem ganzen Geld gemacht? Daniel hat es verschenkt. An seine rumänische Verwandschaft und Bekanntschaften. Scheinweise, Bündelweise. Kartonweise.

Daniels Sinnen und Trachten  war, als reicher deutscher Verwandter in Rumänien angesehen zu werden. Den Trick mit den Nähnadeln kannten die meissten nicht. Die kannten nur den Daniel und seine unerschöpfliche Freigiebigkeit. Wo er nur hinkam, wurden Schweine, Schafe und Rinder geschlachtet, floß Wein und Schnaps auf Festen in Strömen. Ein weiterer Kick war, daß ja Daniel aus Ostdeutschland kam und er einigen westdeutschen Verwandten, die mal in Rumänien zu Besuch waren, total die Show gestohlen hatte. Freilich brachten auch die Gaben und Geschenke mit. Gegen den Krösus Daniel konnte aber wenige mithalten. Er kaufte den Verwandten Land und Gebäude, soweit es möglich war. Westpackete mit Kaffee und sonstigen Lebensmitteln, von seinen beiden erwachsenen Kindern aus Westdeutschland, die Ende der Fünfziger aus der DDR getürmt waren, leitete er ebenfalls teilweise nach Rumänien um. 

Irgendwer in seiner zahlreichen rumänischen Verwandtschaft kam dann auf die Idee, seine Tochter nach Deutschland zu verheiraten und da Daniel einen unverheirateten Sohn hatte, lag es Nahe, dem Daniel entsprechende Vorschläge zu unterbreiten.

Daniel war nicht abgeneigt und so trat er eines Tages den Rückweg nicht nur mit Siebenbürger Schinken und Knackwurst im Gepäck an, sondern auch mit einer jungen Frau, die von der Fotografie seines Sohnes Werner sichtlich angetan und zumindestens interessiert war.
 

Der Werner staunte nicht schlecht, als sein Vater ihm die dralle Schönheit aus Rumänien eines Tages vorbereitet vorstellte. Sie war einen halben Kopf größer als Werner und einen viertel Zentner schwerer. Werner war extrem zuckerkrank und konnte eigentlich mit einer Frau wenig anfangen. Kaffee trinken, Frühstücken und Erzählen, war alles was er ihr bieten konnte. Sie bekam das Null komma Nichts mit und sah sich sofort nach anderen Bettpartnern um, welche innerhalb weniger Tage Schlange standen.

Einer der Schlangensteher zerlegte mit seinen heftigen Bewegungen und den Bewegungen dieser Pfundsfrau das Besucherbett und Werner zeigte mir empört das zerstörte Bettgestell. Alle, außer ihm wären schon unter deren stramm sitzendem Rock gewesen und er als Bräutigam als einziger noch nicht.
 

"Meine Braut," als diese hatte ers sie quasi akzeptiert "hat das Besucherbett zerrammelt!" beichtete mir einmal Werner. Er fragte, was er nun tun solle. Ich wußte keinen Rat und Werner eröffnete, er würde dafür sorgen, daß die Rumänin ohne Verlobungsring wieder nach Rumänien zurück fährt.

Den Verlobungsring hatte Werner schon am ersten Tag des Zusammentreffens spendiert und ohne viel Federlesens wurde Verlobung gefeiert. "Laß die Finger davon", gab ich dann doch den Rat als Freund. "In der Hochzeitsnacht erwürgt die Dich! 

Doch der Hochzeitstermin war schon organisiert und Werner war darauf und dran, sich in´s Unglück zu stürzen. Er saß täglich Abends mit ihr im Arm vor dem Fernseher, kusselte ein bissel herum und spielte schon mal Liebespaar. Aber dann hatte Werner rote Augen und die Augenbrauen juckten ihm wie verrückt. Er ging zum Augenarzt, der ihn sofort zu einem anderen Arzt überwies, weil Werner kleine Tierchen in den Augebrauen hatte, die dem Augenarzt nicht viel angingen.

Filzläuse! 

Werner spurtete hoch geladen nach Hause und sammelte den Verlobungsring wieder ein. Er packte seiner rumänischen Braut den Koffer und schickte sie mit einem Behandlungswässerchen und Salben gegen die Filzläuse im Gepäck wieder nach Rumänien zurück.

"Die Sau die, die Hure!" sagte Werner  und erzählte mir mit Tränen in den Augen haarklein sein Drama mit seiner rumänischen Braut. 

Zustimmend nickte ich mit dem Kopf, lief dann nach Hause und schrieb mir vorsorglich den Namen des Filzlausmedikamentes auf einen Zettel. 

Man konnte ja nie wissen........!
 
 
 

© rhebs, 2002

. richard hebstreit 
tunnelstraße 31 
D-10245 Berlin 
e-mail:rhebs@rhebs.de
http://www.rhebs.de
tel: 030 39 879 431 
fax: 030 39 879 432
portable: 0172 60 49 617
top
 | feedback |



















home