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Scheisse! (Eberhard, Reinhard, Peter)
(Salzunger Unterwelten II ;-))

1957 gehe ich in die 5. Klasse der Bad Salzunger Grundschule. Meine Freunde/Klassenkameraden und ich (Eberhard Döll (Dölli), Reinhard Christenfeld (Haase), Peter F.   (Fischi)) hatten damals unter anderem das Hobby Schatzsucher. Wir krochen buchstäblich in alle möglichen Ritzen und Höhlen in Bad Salzungen und suchten verborgenes, vergrabenes, verstecktes. Unsere Phantasie und die vielen Geschichten über verborgene Schätze, welche wir gelesen und gehört hatten, waren irgendwann Motiv genug selber mal nachzubuddeln.

Einmal gab es die Sage von Till Eulenspiegel, welcher auch in Bad Salzungen sein Unwesen getrieben hätte. Die Salzunger waren im Mittelalter reich. Sogar Silberstädtchen nannte man Salzungen, weil durch den Salzhandel kleine bedeutende Vermögen angehäuft wurden. Wurde es in Kriegszeiten brenzlich, verschwand alles was glänzte und von  Wert war unter der Erde. (Nur zur Verdeutlichung: noch Mitte des 19, Jahrhunderts gab es in unserer Gegend Krieg z.B. Schlacht im Rosa Grund). Ganz pfiffige versenkten auch einmal einen Silberschatz im Salzunger Burgsee. Als man sie dann in der Familie fragte, wo sie denn den Schatz im Burgsee versenkt hätten, kam die Antwort. Till Eulenspiegel hätte dabei mitgeholfen und an der Stelle, wo der Schatz versenkt wurde, wurde mit dem Messer eine Kerbe in den Kahn geschnitzt. Zum anderen habe ich auf der Seite Salzunger Unterwelten ein wenig in dieses Thema geleuchtet.

Also dachten wir irgendwann, wenn unsere Salzunger Altforderen so dusslig waren ihre Schätze zu verbergen, dann haben sie öfter mal was nicht wieder gefunden. Wir, bewaffnet mit allen möglichen Sorten Taschenlampen, Fackeln, Seilen, Schaufeln und Pickeln wollten nun diese verborgenen Schätze bergen. Ganz stolz waren wir über eine Taschenlampe, welche nach dem Dynamo-Prinzip funktionierte. Kompaß, Karten, belegte Stullen und Gurken im Glas als Wegzehrung bildeten den weiteren organisatorischen Rahmen dieser halsbrecherischen Aktionen.

Mit der Erforschung Salzunger Keller und Schuppen, wo erst einmal die Wegzehrung vervollständigt wurde, begannen die Exkursionen in die Salzunger Unterwelt. Es wurde Wurst besorgt beim Schmied Frey. Die war nur mit einem Keil an einer Schuppentüre gesichert. Da Schmied Frey sehr viele Würste in diesem Schuppen hängen hatte, (schätze heute so einige Zentner) denke ich ist dieser Schwund nicht weiter aufgefallen. Die Gurken mausten wir im Keller an der Nappe nebenan. Peter Fischer war hier der Scout, der uns zu den Gurkengläsern führte. Nicht weit davon ging es in den Weinkeller der Firma Eichhorn. Der Schlüssel dazu hing neben der Türe in einer Mauernische. Die Luft war rein, wenn der Kellermeister Anacker besoffen war. Das war der damals fast täglich. Im gewaltigen Keller gab es hunderte Flaschen Obstwein, Wein, Likör und tonnenweise Marmelade. Seitdem konnte ich jahrelang keine Marmelade mehr sehen, weil wir mit dem Eßlöffel die Marmelade verspeisten. Die Semmlen dazu gab es gleich um die Ecke beim Bäcker Hill. Es waren aber immer die Vortagssemmeln, welche für die Hühner und Gänse auf dem Hof in einem Korb lagerten. Der Korb wurde mit der Max und Moritz Methode gerippt. Haken am Seil, Korb angeln, Korb ein wenig leeren, zack und weg.

Zigaretten für die Hebi-Bande besorgte Peter Fischer im Papierladen Erna Hopf. Die Methode ging so. Peter ist rein in den Laden und ganz laut gebrüllt "Erna - ich bruch a paar Beuntstifte!" Erna war im ersten Stock und nahm sich so Zeit die steile Stiege herunter zu kraxeln. Erna hatte einige Zigarettenschachteln offen, von denen sie die Zigaretten F58, Turf und Real stückweise verkaufte. Peter besorgte hier nun die Zigaretten stückweise....und es ist so nicht sehr aufgefallen. Wir waren damals noch keine starken Raucher.

Köstlicher war da schon das Zuckergebäck aus Eierschnee vom Konditor Erxleben. Da heran zu kommen war schon schwieriger. Man musste wissen, wo es zum Auskühlen stand. Es stand am Fenster und das Fenster war offen. Wenn von 120 Stück mal 13 Stück verschwanden fiel eben nicht auf. Dachten wir. Rolf Exleben hat es eines Tages gemerkt und hat sich auf die Lauer mit einer Gürtelschlaufe gelegt. Nur Rolf hatte Pech. Es wurde nicht mit dem blanken Arm nach den Köstlichkeiten geangelt, sondern mit einer Kehrschafel an einem Besenstil. Da konnte er seine raffinierte Schlaufe gerne herumlegen. Die Schaufel (Nebenan aus der Schulspeisung gestibitzt) ging verlustig und tags darauf wurden Süßigkeiten bei der Konditorei Schönwetter (Café Bein) am Markt besorgt. Durch die Hintertüre des Rathauses gab es einen Zugang zur Konditorei. Und da gab es prima gefüllten Bienenstich und tolle Mürbteig-Plätzchen. Übrigends bei Rolf lag eines Tages ein Hund im Fenster. Doch dieser Hund war sehr lieb (wegen der Wurst vom Schmied Frey) ;-)

Bargeld für unsere Exkursionsausstattung (Batterien) benötigten wir auch. Peter war hier der Ideengeber, der keinen Vater hatte, aber eine Mutter und eine Schwester, welche höllisch auf ihre Geldbörsen aufpasste. Es wurde mit dieser Methode Nummer Eins quasi zum eigenen Vorteil gewechselt. Das heisst, der Wert des Börseninhaltes nahm ab, aber nicht die Anzahl der Geldmünzen. Methode Nummer Zwei waren leere Bierflaschen. Die leeren Flaschen standen vor dem Konsum am Markt. Hier wurden einfach die Kästen ausgewechselt. Leerer Kasten gegen vollen Kasten oder umgekehrt. Rein rechnerisch fehlte da nie was. Es gab keinen Schwund -jedenfalls subjektiv. 

Wer kennt noch die alten Reichsbahnfahrkarten? Die waren aus massiver Pappe. Eine halbe Karte passte ein wenig geknickt in den Geld zurück Schlitz der Telefonzelle. Da ja bei diesem und jenem Telefongespräch das Geld wieder zurück purzelte, wenn Kein Gespräch zu Stande kam, verursachte unser Pappenstück einen kleinen Geldstau zu unserem Nutzen. Das war Methode Nummer Drei. Methode Nummer Vier war die Eier Masche. Darauf waren wir besonders stolz, weil wir damit keine Bürger beklauen mussten. Wir beklauten völlig legal den Staat DDR. Ein Hühnerei kostete damals so 15 Pfennige. Die staatlichen Läden HO und Konsum kauften aber die Eier für 25 Pfennige das Stück auf. Der Preis war quasi subventioniert. 64 Eier im Verkauf kosteten  Neun Mark sechzig. Der Profit war Sechs Mark und vierzig Pfennig. Bei einem durchscnittlichen Taschengeld von 50 Pfennig in der Woche war das das reine Vermögen. Peinlich war nur, irgendwann gab es kein Bargeld mehr, sondern Hühnerfutter oder Hühnerfutter Bezugsscheine. Peter kam dann auf die Idee in den Geldeinwurfsschacht der Staatsbank am Markt ein Einkaufsnetz zu spannen. Das wurde dann aber mehrheitlich abgelehnt. Wir waren kleine "ehrliche Ganoven" und wollten ja unseren Reichtum durch Schatz finden begründen und nicht durch agressiven Diebstahl.

Und so ging es los.

Schatzsuchaktion Nummer Eins war das Grundstück Kaltenborner Straße Nummer Eins. Hier wohnte in einer feinen Villa Doktor Kapeller. An der Ostseite des Grundstückes, dicht hinter der Grundstücksmauer lugte der fein gemauerte Bogen eines Gewölbeeinganges aus einem Gebüsch. Damit unsere Grabungsaktion unbemerkt blieb, wurde ein Schneeballstrauch neben dem Bogen ausgegraben und vor dem Bogen wieder eingebuddelt. Ganz ganz toll raffiniert kamen wir uns dabei vor. Dahinter verdeckt begannen dann die emsigen Grabungen. Einer grub, zwei standen Schmiere, weil ständig Passanten dicht am Grundstück vorbei liefen. Bei zwei kurzen Vogelpfiffen war Buddelpause. Den ausgebuddelten Dreck steckten wir in unsere alten Strümpfe aus der Kindergartenzeit und schleppten den Aushub in den Rathenaupark zur Teufelsbrücke. Alleine schon weil die Brücke Teufelsbrücke hiess. 

Die Strümpfe waren lang und da passte einiges hinein. Lange Strümpfe? Übrigens....wer kennt heute noch ein Leibchen? So hiessen damals die Strapse - unsere Strumpfhalter! Nach zwei drei Tagen gab es einen Rutsch - und Tatsache wir hatten ein bislang unbekanntes Kellergewölbe im Hang des Grundstückes angegraben. Ein ca. 10 Meter langes Tonnengewölbe wurde nun Zentimeter für Zentimeter im dustern mit unseren Taschenlampen abgesucht. Toll, unheimlich, spannend, aufregend. Wir fieberten jedem Stück gefundenem Blech hinterher. Das waren alte vergammelte Fahraddynamos, Ein aufgeweichter Karton mit Knöpfen, Fassreifen, Gluckerröhrchen für Weinballons. Jede Menge Glasscherben von Weinballons. Das war unser erster Schatz. Wir hatten praktisch einen vergesssenen Eis- und Weinkeller aus dem vorigen Jahrhundert ausgegraben. Nur am Ende des Kellers in der Rückwand gab es einen weiteren gemauerten Bogen. Praktisch eine zugemauerte Türe! Hier nun endlich musste ein verborgender Schatz liegen! Das Buddeln ging weiter. Diesmal mit schwerem Hammer, Meißeln, Brechstangen. Um das Gepolter unserer Schläge zu dämpfen, wurde der Eingang mit Stroh zu gestopft. Aus weiser Vorsicht lag einer der Bande im Schneballbusch mit einem alten Klingelschalter und 4,5 Volt Flachbatterie. 
Im Gewölbe klingelte es dann und die Brechstangen Brigade machte Puckerpause. (Später kam dann heraus, dass olle Kapeller zum Telefon rannte. Der hörte das Klingeln natürlich auch in seiner Villa). 

Nur eben....es war nicht sein Telefon ...es war unsere Buddel Alarmanlage. Nach einigen Tagen war es geschafft. Bei einem hühnenhaften Schlag durch die Reste einer dreilagigen Ziegelsteinmauer verschwand der größte Meißel in den Nachbarraum. Wir hatten es geschafft! Wir waren durch! Es gab ein schmatzendes Geräusch und wir wurden nass wie de Pudel....und fingen sofort an mörderlich zu stinken. Wir hatten Doktor Kapellers Fäkaliengrube angebort und einige hundert Liter Scheisse und Pisse ergoss isch in den alten Vorkeller eines Kellers, der vor 40 50 Jahren zur Scheissgrube ausgebaut wurde, als die Plumpsklos abgeschafft wurden. Nix wie raus, war unser nächster Schritt und 4 Salzunger Jungs schworen Stein und Bein von diesem Vorkommnis niemand niemals was zu erzählen! Großes Schatzsucher-Geheimnis! Ehrenwort!

Dieses Ehrenwort habe ich hiermit gebrochen.
 
 

Eine Pointe hierzu gibt es noch. Den Schaden, den wir angerichtet hatten, wurde schnell entdeckt, man brauchte nur dem infernalischem Gestank nach zu gehen. Die beschriebene Mauerlücke im Keller wurde ein paar Tage darauf repariert und der spätere Nutzer des Grundstückes brach den Eingang des vergessenen Kellers total auf und baute in den alten Weinkeller eine praktische feine Garage für seinen neuen Trabant.
 
 

 

. richard hebstreit 
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